Was ist die „Liebe des Lebens“?

Die britische Serie „The Pursuit of Love“ hinterfragt überkommene Konventionen und feiert das Leben als Fest der Liebe

Nils Brinkmann

Nils Brinkmann studierte Publizistik, Kunstgeschichte und Soziologie (M.A.). Seit vielen Jahren prüft Nils Brinkmann als hauptamtlicher Prüfer bei der FSF, ebenso prüft er im Beschwerde- und Gutachterausschuss der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM).

Programm The Pursuit of Love
 Drama, GB 2021
SenderMagentaTV, ab 01.07.2023

Online seit 03.08.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/was-ist-die-liebe-des-lebens-beitrag-1124/

 

 

The Pursuit of Love folgt einer zur damaligen Zeit skandalträchtigen Romanvorlage von Nancy Mitford und bietet einen opulenten Einblick in die englische Oberschicht mit ihren gesellschaftlichen Konventionen und Ritualen von den Goldenen Zwanzigern, über den Spanischen Bürgerkrieg bis hin zum Zweiten Weltkrieg. Im Mittelpunkt stehen die beiden Cousinen Linda Radlett und Fanny Logan, die trotz unterschiedlicher Lebensentwürfe das ganze Leben lang beste Freundinnen bleiben, obwohl sie sich in ihrer Persönlichkeit sehr unterscheiden.

Während sich Fanny in Bezug auf ihr Liebes- und Familienleben eher an tradierte Rollenmuster hält, sucht Linda ihr Glück in einem ausschweifenden Lebensstil, was in der konservativen britischen Oberschicht, auf wenig Gegenliebe stößt. Die dadurch aufkommenden Konflikte werden durch geschliffene Dialoge, die nicht selten von britischem Humor und einer gehörigen Portion Ironie durchzogen sind, verhandelt. Trotz allem bleibt Linda authentisch und nahbar. Ihr Streben nach persönlicher Glücks- und Liebesentfaltung wird – bei aller Extravaganz, zumindest aus heutiger Sicht – nachvollziehbar und respektvoll inszeniert.
 

Trailer The Pursuit of Love (MagentaTV, 01.07.2023)



Der dritte Hauptprotagonist der Serie ist die prachtvolle, bis ins letzte Detail ausgetüftelte Ausstattung. Opulente historische Kostüme und das edle Ambiente, ob in Herrenhäusern, Schlössern oder Gärten: die Serie präsentiert sich in edler Hochglanzästhetik. Die Vergangenheit, angesiedelt zwischen den beiden Weltkriegen, wird in moderner Machart präsentiert, was heutigen Sehgewohnheiten entgegenkommt: Die Mischung aus zeitgenössischen Kostümen, verbunden mit Popmusik, modernen Sounds und diversen Inserts, die die Protagonisten vorstellen, wirkt trotz der historischen Rahmung modern und sorgt für ein kurzweiliges Sehvergnügen. Der emanzipatorische Ansatz, der vor allem von Linda verfolgt wird, die sich überkommenen Konventionen nicht beugen will, bleibt bestimmendes Element der Serie.
 


Freigegeben ab …
 

Die drei Folgen umfassende Miniserie à ca. 60 Minuten bietet für Kinder keine direkten Anknüpfungspunkte: Das anspruchsvolle Sprachniveau und die erwachsenen Themen, die die englische Gesellschaft detailreich und liebevoll abspiegeln, um gesellschaftliche Zustände und Ausformungen mal ironisch, mal kritisch aufzuwerfen, können nach Auffassung des Prüfausschusses von Kindern in ihren Dimensionen nicht erfasst werden. Für Mädchen und junge Frauen ab 14 Jahren können die beiden zentralen Protagonistinnen allerdings interessant sein und dazu anregen, eigene Positionen gegenüber präsentierten Rollenbildern zu entwickeln.

Obwohl mit dem Spanischen Bürgerkrieg und dem beginnenden Zweiten Weltkrieg als begleitende geschichtliche Ereignisse durchaus ein Bedrohungsszenario gegeben ist, bleiben die kriegerischen Auseinandersetzungen eher an der Oberfläche und entfalten keine ängstigenden Wirkungen. Allein der autoritär und ressentimentgeladen auftretende Vater Matthews kann bei Kindern eine kurzzeitige Irritation hervorrufen. Er verfolgt einen strengen Erziehungsstil und spricht vom deutschen Feind als „Hunnen“, auch sonst ist ihm alles Nichtbritische fremd. Doch schnell wird deutlich, dass dieser Charakter eine überzogene Karikatur des Patriarchats ist und überaus statisch und verknöchert daherkommt. Gegen ihn stehen die beiden selbstbewussten, lebensfreudigen jungen Frauen, die den Kontrapunkt zu dem harschen Tyrannen bilden.

Auch die wenigen Bilder, welche die Zerstörung durch die Kriege abbilden, stellen durch ihre zurückhaltende Darstellungsform keine Belastungen für Kinder dar. Insgesamt bietet die Serie auf der Sprach-, Musik- und Bildebene für die jüngeren Altersgruppen keine erschreckenden, irritierenden oder verängstigenden Sequenzen oder Einzelbilder. Es handelt sich um eine der heutigen Realität weit entfernten Szenerie, die gesellschaftliche Rituale, auch dekadente und bizarre Verhaltensweisen feiert, die jedoch in dieser Ausprägung keine Relevanz in Hinblick auf ein entwicklungsbeeinträchtigendes Potenzial haben. Die liebevolle Figurenzeichnung, die zurückhaltende Bildebene und auch die lebensbejahende Gesamtstimmung bewogen den Prüfausschuss, die Serie für das Tagesprogramm freizugeben.
 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

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Sendezeiten und Altersfreigaben