„Orientierung gibt es nur durch Bildung.“

30 Jahre FSF

Claudia Mikat im Gespräch mit Thomas Krüger

Thomas Krüger hat als Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und als Mitglied der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) die Entwicklungen im deutschen Jugendmedienschutz über viele Jahre eng begleitet. 2014, zum 20. Jubiläum der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), hat er in seiner Festrede Aufgaben für die digitale Revolution skizziert. Zehn Jahre später spricht er mit mediendiskurs über veränderte Rahmenbedingungen im Jugendmedienschutz und neue Herausforderungen.

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 2/2024 (Ausgabe 108), S. 4-9

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Jugendmedienschutz ist kein isoliertes Handlungsfeld, sondern eng mit technologischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Trends verknüpft. Inwiefern haben sich die Rahmenbedingungen für Jugendmedienschutz in den letzten zehn Jahren verändert?

Der Jugendmedienschutz ist durch den Prozess der Digitalisierung enorm herausgefordert, vor allem durch die sozialen Medien, die eine neue Dimension eröffnen. Kinder und Jugendliche kommen dort als selbstständige kommunikative Akteure ins Spiel, die mit ständig neuen Formaten umgehen müssen. Die Entwicklung ist so dynamisch, dass Regulierung nicht Schritt halten kann. Damit stellt sich die Frage, wie Kinder und Jugendliche lernen können, eigenverantwortlich mit Medien umzugehen, noch einmal ganz anders, als das bisher der Fall war.
Zwar versucht der Jugendmedienschutz auf allen Ebenen, stärker mit der Realität Schritt zu halten. Dennoch befindet er sich permanent in einer Situation der Nacheile. Das wirft die Frage auf, wie Kinder und Jugendliche selbst zu einem belastbaren Jugendmedienschutz beitragen können. Und das gelingt nur, indem sie dazu ermutigt werden, eine kritische Medienkompetenz zu entwickeln und eine gewisse Eigenverantwortung herzustellen. Daher gewinnt die alte Zwei-Säulen-Theorie von Regulierung und Medienpädagogik heute erneut an Relevanz, insbesondere im Bereich der kritischen Medienbildung.

Gibt es neue Zielvorstellungen im Jugendmedienschutz? Oder anders gefragt: Bedeuten „Eigenverantwortung“ und „Gemeinschaftsfähigkeit“ heute etwas anderes?

Die Zielsetzung hat sich nicht verändert, Eigenverantwortung und Gemeinschaftssinn bleiben die Parameter, nach denen wir uns auszurichten haben. Aber wenn der 16. Kinder-und Jugendbericht von politischer Medienbildung spricht, wird deutlich, dass die politische Dimension an Bedeutung gewonnen hat. Klassische Medienbildung ist heute unverrückbar verflochten mit politischer Bildung. Und umgekehrt kann politische Bildung heute nicht mehr ohne die Medienbildung gedacht werden. Die politische Dimension liegt vor allem in kritischen Kompetenzen: Was tue ich, wie positioniere ich mich, welche Solidaritäten sind notwendig, welchen Debatten habe ich mich zu stellen? In diesem Sinne müssen Kinder und Jugendliche Eigenverantwortung erlernen, um Resilienz in dem System zu entwickeln. Man darf sie damit natürlich nicht allein lassen, sondern sie brauchen Orientierung – und Orientierung gibt es nur durch Bildung.
 


Klassische Medienbildung ist heute unverrückbar verflochten mit politischer Bildung. Und umgekehrt kann politische Bildung heute nicht mehr ohne die Medienbildung gedacht werden.“



Sind die Erwachsenen mit Blick auf die kritische Dimension und ihren Umgang vor allem mit sozialen Medien gute Vorbilder?

Ich sehe sie leider nicht als Vorbilder, eher haben Erwachsene ein noch größeres Bildungsproblem. Kinder und Jugendliche sind neugierig, sie sind sehr stark auf soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen und zu ihren Communitys hin orientiert. Und ich würde sagen, sie sind sogar bereit zur Bildung. Bei den Erwachsenen fehlt häufig diese Bereitschaft, die eigenen Kompetenzen zu erweitern, um die Rolle als Vorbild wahrzunehmen und Heranwachsende zu begleiten. Ein großer Teil der Erwachsenengeneration scheint in Sachen Medienbildung aufzugeben. Es gibt gute Signale im schulischen Kontext, indem Eltern mehr darauf drängen, dass das Thema „Medien“ eine größere Rolle spielt. Aber man kann diese Aufgabe nicht einfach in den Schulsektor delegieren, wenn man zu Hause nicht bereit ist, das auch zu realisieren und auf den Weg zu bringen. Elternbildung ist eigentlich fast noch die größere Herausforderung.

Hat sich das System des deutschen Jugendmedienschutzes im Hinblick auf seine Orientierungsfunktion für Heranwachsende und Eltern bewährt?

Der Jugendmedienschutz hat endlich reagiert und ist in Bewegung gekommen. Allerdings sind unsere bestehenden Systeme noch zu stark versäult und nicht ausreichend integriert. Die Trennung zwischen Aufsicht und praktiziertem Jugendmedienschutz, sei es durch Selbstkontrollen oder medienpädagogische Angebote, sollte durchlässiger und die beiden Ebenen sollten besser miteinander verzahnt sein. Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) hat zumindest den Weg dafür geebnet, aber es muss jetzt auch weitergehen. Das Festhalten an der alten Versäulung und Institutionalisierung scheint mir nicht mehr das Gebot der Stunde zu sein.

Sehen Sie hier eine positive Tendenz? Wir haben weiterhin im Jugendmedienschutz getrennte Gesetzesgrundlagen mit zahlreichen Inkohärenzen und eine Vielzahl von Institutionen mit verschiedenen Zuständigkeiten. Hinzu kommen Kompetenzfragen zwischen Bund und Ländern, nachdem der Bund seinen Einflussbereich mit der letzten Novelle des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) auf die Telemedien ausgedehnt hat. Ist diese verworrene Situation überhaupt noch auflösbar?

Auflösbar ist zunächst alles, wenn man es politisch will, aber ich bin skeptisch. Das System hat mittlerweile barocke Züge angenommen und man scheint aus diesen Konstellationen der Vermachtung nicht herauszukommen. Wenn beispielsweise völlig unproduktive Konkurrenzen zwischen Selbstkontrollen aufgerufen werden oder diskutiert wird, wer in welcher Situation befangen ist, dann zeigt das, dass wir den Blick auf die eigentlichen Herausforderungen verloren haben. Deshalb finde ich es richtig, dass der Bund eingestiegen ist, ohne jedoch zu dominieren. Es sollte eine produktive Zusammenarbeit mit mehr Ressourcen, Bildung, Verzahnung und Durchlässigkeit angestrebt werden. Es ergibt auch keinen Sinn, wenn die Selbstkontrollen nach unterschiedlichen Grammatiken funktionieren. Wenn man sich für die Pluralität von Selbstkontrollen entscheidet, müssen sie in eine Logik gebracht werden, die keine Marktverzerrung zulässt und eine gleichberechtigte Behandlung gewährleistet.
 

Thomas Krüger (Foto: Gordon Welters/laif/bpb)


 

Wie beurteilen Sie die Rolle der Selbstkontrollen in diesem System? Hat die Selbstkontrolle gegenüber staatlichem Einfluss an Bedeutung verloren und ist sie heute weniger relevant als vor zehn oder sogar 30 Jahren?

Ich stamme aus dem Osten und habe selbst erlebt, was Zensur bedeutet. Daher bin ich fest davon überzeugt, dass Selbstkontrolle die entscheidende Alternative ist, um Zensur oder Interventionen von anderen Stellen zu vermeiden. Selbstkontrolle verpflichtet nicht nur die Medienanbieter und die Gesellschaft, sich um die Inhalte zu kümmern und sie zu bewerten, sondern trägt auch zur Glaubwürdigkeit bei, insbesondere durch die umfassende Arbeit im gesamten Umfeld. Daher halte ich es für unangebracht, leichtfertig von ihr abzuweichen. Allerdings müssen dem Einfluss des Staates klare Grenzen gesetzt werden. Ich glaube, dass die entscheidende Korrektur im Ökosystem des Jugendmedienschutzes nicht bei den Selbstkontrollen, sondern bei den staatlichen Akteuren sowie bei der Verantwortung der Plattformen und der wirtschaftlichen Interessengruppen in diesem Bereich zu finden ist.

Was raten Sie den Akteurinnen und Akteuren? Und wen sehen Sie am ehesten in der Pflicht, wenn es darum geht, die verschiedenen Elemente im Ökosystem Jugendmedienschutz besser aufeinander abzustimmen?

Mein Rat wäre, die alten Zöpfe abzuschneiden. Die Verantwortung dafür sehe ich beim Gesetzgeber, und zwar von Bund und Ländern. Der Gesetzgeber muss die Courage haben, das System ins Funktionieren zu bringen, anstatt alte Machtstruturen aus föderalen oder sektoralen Vorteilen fortzuführen oder faule Kompromisse einzugehen. Es geht nicht länger darum, Machtpositionen zu sichern, sondern darum, angesichts der enormen Herausforderungen sicherzustellen, dass der Jugendmedienschutz unter den aktuellen Bedingungen optimal umgesetzt wird. Das ist ohnehin schon schwierig genug und erfordert eine gründliche Überarbeitung des Systems.
 


Der Gesetzgeber muss die Courage haben, das System ins Funktionieren zu bringen, anstatt alte Machtstruturen aus föderalen oder sektoralen Vorteilen fortzuführen oder faule Kompromisse einzugehen.“



In Großbritannien wurde die Altersfreigabe für Mary Popins aufgrund diskriminierender Begriffe angehoben. In kritischen Kommentaren wird dies häufig als Zensur bezeichnet. Ist es die Aufgabe der Selbstkontrolle, über Themen wie diskriminierungsfreie Sprache mitzuverhandeln, oder sind das Fragen der Political Correctness, die nichts mit Jugendmedienschutz zu tun haben?

Die Akteure in den Selbstkontrollen greifen verschiedene Dimensionen der gesellschaftlichen Debatte auf und verhandeln sie. Ich finde, dass das Verhandeln, Diskutieren, Einordnen und Bewerten zu einem Zeitpunkt anders ausfallen kann als zu einem anderen Zeitpunkt – weil sich bestimmte politische Entwicklungen vollziehen, zu denen man unterschiedliche Antworten findet. Diese Diskussion ist ein angemessenerer Ansatz als die Kultivierung einer Political Correctness, die vorschreibt, was man sagen darf und was nicht. Das ist eine fürchterliche Vorstellung und die sollte man auch zurückweisen.

Derzeit wird diskutiert, welche Einflüsse die Medien, insbesondere die sozialen Netzwerke, auf den gesellschaftlichen Diskurs und die Demokratie nehmen – Stichwort: Das Medium ist die Botschaft. Wenn wir an die Funktionslogik der sozialen Plattformen denken – an die Zuspitzung von Meinungen, das duale Bewertungssystem mit Likes und Dislikes oder die Errechnung des Stellenwertes von Nachrichten nach Klickzahlen –, beeinträchtigt diese Logik den realen demokratischen Diskurs?

Ja, sie beeinflusst ihn. Man findet sich häufiger in Situationen wieder, in denen es nur noch Schwarz oder Weiß gibt, Ja oder Nein, Like oder Dislike. Die Wahrheit findet aber immer in den Graubereichen statt. Es fehlen Einordnung, Interpretation, Übersetzung und Reflexion – also das, was herkömmlicherweise Journalist:innen übernehmen, die man gut oder weniger gut finden und an denen man sich abarbeiten kann. Wenn es diese Instanz nicht gibt, wenn man nur noch auf Medienimpulse aus dem schwarzen oder weißen Sektor trifft, dann stärkt das nicht die Qualität demokratischer Kommunikation, sondern bedeutet am Ende Freiheitsverlust, weil es nur noch zwei Optionen gibt.

Sollte hier eher durch Regulierung oder politische Medienbildung gegengesteuert werden?

Die politische Bildung ist bereits aktiv geworden und entwickelt alternative Angebote und Szenarien, die auch dankbar angenommen werden. Wir nutzen beispielsweise Formate auf TikTok, Instagram und YouTube und lassen Influencer:innen moderieren. Zudem produzieren wir klassische Formate wie Quiz oder Soap. In diesen Formaten versuchen wir, die Dinge einzuordnen und Reflexionen anzuregen. Ich bin der Ansicht, mit Verboten kommen wir in diesem Bereich nicht weiter. Es bedarf der Initiative der Bildungseinrichtungen, die sozialen Medien nicht dem Selbstlauf zu überlassen, sondern selbst mitzuspielen und Angebote zu unterbreiten.

Werden diese Initiativen und positiven „Public Value“- Angebote hinreichend unterstützt oder braucht es mehr Förderung?

Es muss aus meiner Sicht viel mehr Förderung in diesem Bereich geben, die tatsächlich auf Public Value abzielt. In der Bundeszentrale haben wir ein Programm namens „Demokratie im Netz“ entwickelt. Dabei geht es insbesondere darum, Communitys zu stärken und guten Initiativen von Einzelpersonen zu helfen, komplexere Formen der Kommunikation im Netz zurückzugewinnen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Bekämpfung von Hatespeech und Desinformationen. Wir planen aktuell eine Quizshow mit Rezo, um vor den Europawahlen einen Wettbewerb zu initiieren, in dem Desinformationen identifiziert werden müssen. Gewinner*in ist der- oder diejenige, der bzw. die am meisten von diesen Desinformationen bemerkt, feststellt und angibt. Um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, benötigen wir Influencer, die eine Community und eine Aura mitbringen. Große Projekte wie diese sind wichtig, aber ebenso wichtig ist die Förderung vieler kleiner Projekte, und hier muss noch viel mehr getan werden.

Nehmen Sie wahr, dass dieses Schwarz-Weiß-Denken auf den Journalismus in anderen Medien überschwappt? Oder gab es vergleichbare Formen von Stimmungsmache schon immer, die heute lediglich durch die sozialen Medien verstärkt werden?

Ja, ich glaube, dass diese Prinzipien – ich will nicht sagen als Verursacher, aber als Verstärker – längst in politischen und öffentlichen Debatten Fuß gefasst haben. Wir bemerken das überall, dass der Aktivismus auf dem Vormarsch ist. Wir diskutieren nicht mehr über das Wenn und Aber von Klimaaktivismus, sondern wir diskutieren nur noch: Bist du für die Letzte Generation oder dagegen? Bist du für oder gegen das Kleben? Das heißt: Diese algorithmenbasierte Ja-Nein-Struktur fängt an, sich in den Alltag einzugraben und zu Unversöhnlichkeiten zu führen.
Demokratietheoretisch unterscheidet man immer zwischen Konsens und Kompromiss als Zielstellung. Konsens ist etwas, was die andere Meinung unsichtbar macht und die Majorität einer Position zementiert. Kompromiss dagegen ist eine Zielstellung, welche die Minoritätenpositionen sichtbar erhält und eine vorübergehende Vereinbarung zwischen Mehrheits- und Minderheitspositionen im öffentlichen Raum darstellt. Deshalb finde ich, dass Kompromiss das eigentliche Herzstück der Demokratie ist und nicht das Konsensverfahren, das legitime Minderheitenpositionen einfach wegwischt und unsichtbar macht.
 


Wir diskutieren nicht mehr über das Wenn und Aber von Klimaaktivismus, sondern wir diskutieren nur noch: Bist du für die Letzte Generation oder dagegen? Bist du für oder gegen das Kleben? Das heißt: Diese algorithmenbasierte Ja-Nein-Struktur fängt an, sich in den Alltag einzugraben und zu Unversöhnlichkeiten zu führen.“



Also sind Kompromissfähigkeit und Ambiguitätstoleranz auch wesentliche Kompetenzen für das Funktionieren von Demokratie?

Absolut! Und zwar in dem Sinne, dass Ambiguitätstoleranz letztendlich die Schlüsselkompetenz für Interessenunterschiede in der Demokratie ist. In einer Demokratie darf und soll man ungestraft anderer Meinung sein können. Um das zu zementieren, braucht es Bezugspunkte und eingeübte Praktiken, die eben von der Binarität von Positionen wegkommen und die Graubereiche und die Aushandlungsprozesse zwischen den radikalen Optionen wieder stärker in den Blick rücken.

Weiteres zentrales Element von politischer Bildung und von Demokratiefähigkeit ist die Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen. Partizipation hat auch im Jugendmedienschutz in den letzten Jahren mehr Aufmerksamkeit erfahren. Es gibt bei der BzKJ einen Beirat, in dem Jugendliche mitwirken. Es gibt bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) einen Jugendrat, es gibt Jugendpanels in den Selbstkontrollen oder medienpädagogische Projekte. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Gibt es Stellschrauben, an denen nachjustiert werden muss?

Zwei Aspekte spielen eine große Rolle. Das eine ist tatsächlich die Partizipation, die Teilhabe und die Beteiligung, auch im analogen Kontext. In Kommunalverfassungen der Länder wie in Schleswig-Holstein ist dies mittlerweile festgeschrieben, dass es eben zwingend Anhörungsrechte von Kindern und Jugendlichen gibt in Angelegenheiten, die sie betreffen. Das ist wirklich ein Fortschritt. Im digitalen Kontext bedeutet Teilhabe auch, dass ich zu einem selbstständigen Akteur in diesem Umfeld werden kann, die Angebote kommentieren kann und selbst zum Sender werde, anstatt nur ein Empfänger zu sein. Diese Dimension kann man nicht hoch genug einschätzen, denn die Selbstwirksamkeit fördert und entwickelt auch die Persönlichkeit. Partizipation und Teilhabe sind wichtige Punkte – auch im Medienbereich.
Der zweite Aspekt ist die Repräsentation. Die Glaubwürdigkeit und Kredibilität von Medienangeboten hängen sehr stark davon ab, ob ich mich mit den Akteur:innen identifizieren kann, die dort jeweils unterwegs sind. Heutzutage sind Influencer:innen z. B. ein entscheidender Platzhalter für solche Repräsentativitätsmarker. Ich glaube, dass diese beiden Komponenten, Repräsentation und Partizipation, heute den entscheidenden Unterschied machen. Und wir sind bei beiden Punkten auf gutem Wege. Das Verständnis dafür wächst, aber es ist noch längst nicht in den Praktiken aller Bildungsinstitutionen angekommen.

Vor zehn Jahren, im Rahmen des 20-jährigen Jubiläums der FSF, haben Sie einen treffenden Satz gesagt: „Wir müssen Kindern und Jugendlichen etwas bieten, anstatt zu verbieten.“ Die Frage, die sich heute stellt, lautet: Was genau müssen wir Kindern und Jugendlichen heute anbieten?

Wir müssen ihnen vor allem Zutrauen und Ermutigung bieten. Meine Erfahrung ist, dass Kinder und Jugendliche im Umgang mit Medien sehr oft reflektieren, was sie dort tun und wie sie dort unterwegs sind. Ermutigung, Zutrauen und Unterstützung sind wichtige Ressourcen. Damals habe ich gesagt, wir müssen mehr bieten statt verbieten und meinte damit konkrete medienpädagogische Angebote. Heute würde ich den Akzent sogar noch stärker auf das Thema der Eigenverantwortung und der inneren Kompasse von Kindern und Jugendlichen legen. Wir müssen ihnen Entfaltungsmöglichkeiten bieten, was auch bedeutet, Fehler zu machen und diese zu reflektieren. Es ist wichtig, dass sie über ihre Erfahrungen in den Medien reden, sie einordnen und lernen, mit ihnen umzugehen.