Mächtige Bilder, ohnmächtige Ethik
Einführung ins Titelthema
Bilder erwecken von allen medialen Darstellungsformen am ehesten den Eindruck, die Wirklichkeit so abzubilden, wie sie ist. Dass der gesprochenen und geschriebenen Sprache nicht zu trauen ist und durch sie die Wirklichkeit teils absichtlich, teils irrtümlich auf den Kopf gestellt werden kann, leuchtet wahrscheinlich jedem schon deshalb ein, weil jeder selbst schon einmal irgendwann die Unwahrheit gesagt hat. Bilder hingegen erzeugen den Eindruck, als fange die Kamera Menschen oder Ereignisse so ein, wie sie tatsächlich sind.
Hinzu kommt, dass Bilder direkt über das Auge das Gehirn erreichen und nicht erst über Buchstaben und Wörter decodiert werden müssen. Bilder schaffen so auch unmittelbare Emotionen und werden allgemein als wirkungsmächtiger eingeschätzt als die Sprache oder die Schrift. Das hat aber auch zur Folge, dass die Kompetenz, Bilder angemessen wahrzunehmen und zu verarbeiten, beispielsweise in der Schule oft unterschätzt wird. Obwohl ein großer Teil der Weltaneignung heute über audiovisuelle Medien geschieht, steht z. B. im Deutschunterricht immer noch die Schrift im Vordergrund. Gleichzeitig werden Personen und ihre Gesichter durch Bilder sehr viel präziser als durch die Sprache beschrieben: Wir erkennen Menschen in der Regel sicher wieder, wenn wir sie auf einem Bild gesehen haben. Daraus ergeben sich aber auch ethische Konsequenzen, wenn es beispielsweise um den Schutz der Persönlichkeitsrechte geht. So werden in der Öffentlichkeit oft kontrovers diskutierte Bilder präsentiert, die Fragen in der Hinsicht aufwerfen, was ethisch vertretbar ist. Was darf man (nicht) zeigen? Was sollte man zeigen? Welche Erwartungen werden an Kameraleute, Fotografen oder Redaktionen von Zeitschriften und Fernsehsendern gestellt, die bei der Herstellung, Auswahl und Verbreitung von Bildern erfüllt werden sollten?