Jean-Luc Godard

Film denken nach der Geschichte des Kinos

Vinzenz Hediger, Rembert Hüser (Hrsg.)

Paderborn 2023: Brill | Fink
Rezensent/-in: Michael Wedel

Buchbesprechung

 

Printausgabe mediendiskurs: 28. Jg., 2/2024 (Ausgabe 108), S. 89

Vollständiger Beitrag als:

Godards Vermächtnis

Im Jahr nach dem Tod des Regisseurs erschienen und gespickt mit renommierten Namen der internationalen Godard-Forschung, unternimmt der Sammelband eine umfassende Neubetrachtung der sich über ein halbes Jahrhundert erstreckenden Film-, Fernseh-, Video- und Medienarbeit Jean-Luc Godards. Die Leitfrage, die von den Beiträgen an und mit Godard gestellt wird, zielt auf die anhaltende Relevanz eines an der Geschichte des Kinos geschulten Denkens über die ästhetische Verfasstheit und gesellschaftliche Bedeutung von Bewegtbildern, das auch dort noch greift, wo sie das Kino längst verlassen haben und ihre historische Signatur sich nicht leicht zu erkennen gibt. Vinzenz Hediger spricht einleitend von den Formen einer „neue[n] Cinéphilie“ (S. 10), die heutzutage auf die elektronischen und digitalen Bildmedien gerichtet sind, deren Möglichkeitsbedingungen sich jedoch noch immer sinnvoll im Horizont eines Begriffs vom Kino sondieren lassen, wie ihn Godard in seinen Filmen und Schriften unermüdlich umkreist.

Das Buch geht dieser These im chronologischen Durchgang durch das vielseitige Schaffen Godards nach. Seine Gliederung in die vier Sektionen „Vor der Revolution: Godard bis 1968“, „Zwischen Untergrund und Fernsehen: Godard (und Miéville) nach 1968“, „Vor den Histoire(s) du cinéma: Godard in den 1980ern“ und „Erweiterungen des Kinos: Godard nach dem ‚Spätwerk‘“ orientiert sich dabei an den bekannten werkbiografischen Einschnitten. Neuigkeitswert kommt nicht zuletzt den Aufsätzen zu bisher unbeachtet gebliebenen Fernseharbeiten zu, die Beiträge von Jacques Aumont und Michael Witt haben mit dem 12‑teiligen Bildungsprogramm France/Tour/Détour/Deux Enfants (1979) und einer 1981 für das Westschweizer Fernsehen hergestellten TV-Fassung des Kinospielfilms Sauve qui peut (la vie) sogar veritable Neuentdeckungen zu präsentieren. Anderen Beiträgen ist der Umstand, dass sie auf einer bereits zehn Jahre zurückliegenden Vorlesungsreihe beruhen, stärker anzumerken. Das ändert jedoch nichts daran, dass mit diesem Sammelband ein gewichtiges Buch zu Godard vorliegt, vielleicht das gewichtigste deutschsprachige überhaupt.

Prof. Dr. Michael Wedel