Sex, Macht, Ausbeutung

Die Dokuserie „Secrets of Penthouse“

Uwe Breitenborn

Dr. Uwe Breitenborn ist hauptamtlicher Prüfer bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), Dozent, Autor und Bildungsreferent bei der Medienwerkstatt Potsdam.

Programm Secrets of Penthouse
 Dokumentation, USA 2023
SenderCrime + Investigation , seit 10.01.2024

Online seit 10.01.2024: https://mediendiskurs.online/beitrag/sex-macht-ausbeutung-beitrag-1124/

 

 

Beim Pay-TV-Sender Crime + Investigation startete Anfang Januar 2024 die vierteilige Dokuserie Secrets of Penthouse, die sich einer Schar ähnlicher Dokus zugesellt, wie Secrets of Playboy, Secrets of Chippendales und Secrets of Miss America. Diesmal geht es um den ambivalenten Mastermind eines der erfolgreichsten Erotikmagazine. 1965 gründete Bob Guccione in Großbritannien „Penthouse“ als Konkurrenz zu Hugh Hefners „Playboy“. Vier Jahre später erschien es in den USA. Das Erotikgeschäft lief prächtig. Mit einem geschätzten Vermögen von 400 Mio. Dollar stieg Guccione in den 1980er-Jahren zu einem der reichsten Männer der USA auf. Mit der Zeit wird sichtbar, worauf dieser Erfolg basierte: auf geschäftlicher Cleverness, die die Liberalisierung von Sexualität seit den 1960er-Jahren zu monetarisieren weiß; auf der Ausbeutung und Manipulation sehr junger Frauen, die von Reichtum und Anerkennung träumen; aber auch auf einem sehr patriarchalen Familienleben, unter dem seine nächsten Angehörigen oft litten. Hier setzt die US-Serie Secrets of Penthouse – Sex, Macht, Ausbeutung an.
 

Der Patriarch

Aus heutiger Sicht ist es ein eindeutiger #MeToo-Skandal. Die wechselhafte Geschichte Gucciones wird von Familienangehörigen wie dem Sohn Nick und der Tochter Nina, von Models – den sogenannten „Pets“ – und Mitstreitern erzählt. Guccione besaß durchaus einen einnehmenden Charakter, er war Verleger, Fotograf und Geschäftsmann. Vor allem aber war er ein Manipulator. In der Anfangszeit des Magazins fotografierte Guccione die „Penthouse“-Models oft noch selbst. Doch es blieb nicht beim Fotografieren. Guccione hatte mit vielen seiner Models sexuelle Beziehungen, die oft auch übergriffig waren.

Eine besondere Rolle spielte dabei die pompöse Familienvilla, das „Mansion House“, in New York. Hier lebte Guccione mit seiner Frau und vier Kindern sowie mehreren jungen Models unter einem Dach. Das Zusammenleben gestaltete sich teilweise bizarr, insbesondere wenn die noch minderjährigen Kinder von den sexuellen Eskapaden des Vaters Notiz nahmen. Tochter Nina bezeichnet sich an einer Stelle selbst als „insecure teenage girl“, als unsichere Teenagerin, und die familiäre Fokussierung auf Sex als beunruhigend, während der Sohn die Ambivalenz des Vaters betont. So erzählt Nick, dass er ab dem 15. Lebensjahr mit vielen dieser „Pets“ Sex hatte. Sein Vater Bob Guccione förderte offensichtlich dieses grenzüberschreitende Verhalten, das oft mit einem Missbrauch der jungen Frauen einherging, auch wenn alle betonen, dass sie „Gentlemen“ gewesen seien. Die belastete Vater-Sohn-Beziehung kommentiert Nick mit dem Satz: „Ich hatte keinen Vater.“
 

Trailer Secrets of Penthouse (A&E, 23.08.2023)



Aufstieg und Fall des Erotikmagazins

Die Fotos waren expliziter als im „Playboy“, was dem Erfolg zuträglich war, aber dem Magazin schnell den Ruf einbrachte, pornografisch zu sein. Entsprechende Proteste konservativer und rechter Gruppen, wie zum Beispiel der ultra-christlichen Moral Majority, ließen nicht lange auf sich warten und hatten Erfolg. Nach einer Kampagne dieser Organisation wurde der Verkauf der „Penthouse“-Magazine in den 7-Eleven-Stores gestoppt, was die Verkaufszahlen stark drückte. Vor allem der Internetboom in den 1990er-Jahren setzte dem Magazin weiter zu. Alle Versuche, das Magazin online zu platzieren, verliefen nur mäßig erfolgreich. 2002 wurde Guccione außerdem der Bilanzfälschung bezichtigt. Der Mutterverlag des Magazins, General Media, häufte mehrere Millionen Dollar Schulden an und musste 2003 Gläubigerschutz beantragen. Nach dem Tod seiner dritten Ehefrau Kathy Keeton, mit der er „Penthouse“ gegründet hatte, geriet Guccione in große finanzielle Schwierigkeiten. Er musste seine New Yorker Villa und die private Kunstsammlung verkaufen, bevor er 2010 starb.
 

Vierteilige Hochglanz-Doku

Die vier Episodentitel verraten bereits die verschiedenen Facetten seines Wirkens: „Der Visionär“, „Der Pornograf“, „Der Wahnsinnige“ und „Der Patriarch“. Die ersten beiden Episoden beschreiben den außergewöhnlichen Aufstieg Bob Gucciones. Sie beleuchten die Glanzzeit des Magazins bis in die 1980er-Jahre, in denen „Penthouse“ in den USA eines der erfolgreichsten Magazine überhaupt war. Das ließ Guccione auch übermütig werden: Er versuchte im großen Stil ins Filmgeschäft einzusteigen. Mit seinem Historien-Porno-Schinken Caligula, in dem unter anderem Peter O’Toole, Malcolm McDowell und die junge Helen Mirren zu sehen sind, erlebte er 1979 ein Fiasko. Zu den bemerkenswerten Szenen der Dokuserie gehört daher die Beschreibung von Gucciones Tochter Nina, wie sie als 18-Jährige schamerfüllt neben ihrem Vater sitzend die Kinopremiere erlebte:

Watching this on the big screen. It was absolutely horrifying [...]. I was very upset about it, because no good parents should expose their child or allow them to be exposed to that. But being a narcissist, he had no empathy. He couldn't associate. What would it be like for a teenage girl?“

Das Beispiel veranschaulicht eindrucksvoll die Rücksichtslosigkeit, die sich hinter seiner glamourösen Fassade verbarg.

In der dritten Episode (Der Wahnsinnige) werden Gucciones geschäftliche Kapriolen in den 1990er-Jahren behandelt. So musste er mit hohen Verlusten ein Casino in Atlantic City an Donald Trump verkaufen, nachdem seine Pläne für diese Immobilie gescheitert waren. Nicks Versuch, seinen Vater in die Videoproduktion zu bringen, scheiterte ebenfalls. Zudem gerieten Gucciones Beziehungen zu den „Penthouse-Pets“ ins Zwielicht. Anneka Di Lorenzo verklagte Guccione und bezichtigte ihn der Ausbeutung als Sexsklavin. Die letzte Episode erzählt vom Niedergang des „Patriarchen“ in den 2000er-Jahren. Entgegen der Ratschläge seines Umfelds setzte Guccione auf eine härtere, explizite Linie, was zum Verlust von Anzeigenkunden führte.

Bob Guccione war zweifellos ein ambivalenter Mensch, der eine zerrüttete Familie hinterließ, viele Frauen ins Abseits bugsierte und am Ende scheiterte. Gleichzeitig kreierte er Erotik- und Pornostars, die daraus ihr eigenes Geschäftsmodell machten, wie zum Beispiel Jenna Jameson. All dies wird in der Dokuserie umfänglich und sehr sachlich aufbereitet. Die Serie macht es einem nicht immer einfach, eine eindeutige Meinung über Guccione zu formen. So reflektieren seine Kinder, dass sie sich einerseits zu ihm hingezogen fühlten, aber unter seiner Empathielosigkeit litten. Neben den Familienangehörigen kommen Zeitzeugen und Mitstreiter sowie zahlreiche „Penthouse“-Models wie Sunny Leone, Janine Lindemulder, Sheila Kennedy, Jane Hargrave, Cheryl Rixon und Jenna Jameson zu Wort. Daraus entsteht ein sehr komplexes und differenziertes Bild.
 


Freigegeben ab …
 

Der FSF-Prüfausschuss gab die Dokuserie ab 12 Jahren für das Hauptabendprogramm frei. Thematisiert wird das Erotikmagazin „Penthouse“, im Mittelpunkt steht aber Bob Guccione. Damals sehr junge Frauen, aber auch zwei seiner Kinder beschreiben Machtmissbrauch, übergriffige Situationen, sexuellen Missbrauch und die oft enthemmte Atmosphäre im Erotikgeschäft. Das Zeitkolorit der 1960er- und 1970er-Jahre wirkt distanzierend. Die Bildebene ist relativ clean (geblurrt) und enthält keine grob anreißerischen Sexdarstellungen. Explizite Sprache wurde gebleept. Die Beschäftigung mit sexualisierter Fotografie in sogenannten „Männermagazinen“ bleibt insgesamt eher affirmativ, da dieses Geschäftsmodell nicht grundsätzlich infrage gestellt wird. Es werden aber auch deutlich Konsequenzen und Probleme sichtbar gemacht, die mit einer Karriere in dieser Branche einhergehen (Imageverlust, Konkurrenzdruck, Oberflächlichkeit etc.).

Die übergriffigen Ereignisse (insbesondere in Gucciones Stadtvilla „Mansion House") werden recht sachlich durch Angehörige und Betroffene geschildert. Eine sozialethische Desorientierung ist durch die abwägende Haltung und die vielseitigen Perspektiven auf die Vorgänge für ab 12-Jährige nicht zu befürchten. Sexueller Missbrauch wird klar negativ eingeordnet. Die persönlichen Schicksale sprechen für sich. Ab 12-Jährigen ist zuzutrauen, die Geschichte hinreichend distanziert wahrzunehmen und einordnen zu können, was durchaus auch eine Gratwanderung darstellen kann, da diese Altersgruppe noch wenig Erfahrung in Bezug auf Sexualität hat. Die Inszenierung ist aber hinreichend zurückhaltend und die Serie positioniert sich klar. Die Beschreibung manipulativer, teils subtiler Machtmechanismen, die hier unter anderem im familiären Kontext funktionierten, sowie der erkennbare sexuelle Missbrauch aufgrund des Machtgefälles können damit auch schon für diese Altersgruppe eine aufklärende Wirkung entfalten.
 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Weiterlesen:
Sendezeiten und Altersfreigaben

Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:
Jugendschutz bei Streamingdiensten