Medienstrafrecht

Heribert Schumann, Andreas Mosbacher, Stefan König (Hrsg.)

Baden-Baden 2023: Nomos Verlagsgesellschaft
Rezensent/-in: Anke Soergel

Buchbesprechung

Printausgabe mediendiskurs: 27. Jg., 4/2023 (Ausgabe 106), S. 68-69

Vollständiger Beitrag als:

Medienstrafrecht

Die Herausgeber schließen mit diesem Großkommentar eine wichtige Lücke. Es gibt zwar zahlreiche Lehrbücher und Einzelkommentare zu den verschiedenen medienrechtlichen Gesetzen, ein Kommentar, der die Querschnittsmaterie „Medienstrafrecht“ als Ganzes behandelt, fehlte aber bisher. Und so beinhaltet das Werk neben der Kommentierung der medienstrafrechtlichen Tatbestände des Strafgesetzbuches (StGB) auch die in der Praxis bedeutsamen straf- und bußgeldrechtlichen Normen der verschiedenen medienrechtlichen Gesetze; exemplarisch aufgezählt: Bestimmungen des StGB, des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV), des Jugendschutzgesetzes (JuSchG), des Kunst‑/Urheberrechtsgesetzes (KunstUrhG/UrhG), der Strafprozessordnung (StPO) und des Grundgesetzes (GG).

Dem Wesen eines juristischen Kommentars entsprechend erfolgt die inhaltliche Auseinandersetzung entlang der einzelnen Artikel und Paragrafen der jeweiligen Gesetze. Jede Norm wird in ihrem Gesetzeswortlaut aufgeführt, ein entsprechendes Literaturverzeichnis und eine gut strukturierte Übersicht über die besprochenen Aspekte ermöglichen einen mühelosen Einstieg in die Thematik. Der durchweg klare und verständliche Sprachstil sorgt für einen guten Lesefluss, die Texte sind auch für juristische Laien gut verständlich und bieten eine benutzerfreundliche Handhabe.

Die Erläuterungen berücksichtigen und referieren die aktuelle Rechtsprechung und werten die einschlägigen Publikationen aus. Berücksichtigung finden ebenfalls die umfassenden Gesetzgebungsaktivitäten der Jahre 2020 und 2021. Gleich zu Beginn des Buches findet eine ausführliche Erörterung des für das Medienrecht grundlegenden Art. 5 GG statt, der die Meinungs- und Informationsfreiheit garantiert. Die Autoren vertreten die Auffassung, dass dieser in der Rechtsprechung und teilweise auch in den Gesetzen nicht im notwendigen Maße berücksichtigt wird. Aus diesem Grund findet an entsprechenden Stellen immer ein ausführlicher Abgleich mit diesem Grundrecht statt.

In einer detaillierten Einführung in die §§ 27 f. JuSchG erläutert Schumann die wesentlichen Neuerungen, die mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Jugendschutzgesetzes (2. JuSchGÄndG) in das JuSchG integriert worden sind. Schumann begutachtet insbesondere die Vereinbarkeit der neu eingezogenen Normen (wie beispielsweise §§ 10b, 14a und 24a–d JuSchG) mit dem Verfassungsrecht. Entsprechende Verstöße gegen das Rechtsstaatsprinzip und den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG sowie die Missachtung von Gesetzgebungskompetenzen werden ausführlich dargelegt und begründet. Auch aktuelle Änderungen des Sechzigsten Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches (60. StGBÄndG) finden Eingang in die Betrachtung – so z. B. der geänderte „Schriftenbegriff“ in § 11 Abs. 3 StGB, der zum „Inhaltsbegriff“ weiterentwickelt worden ist.

Der Verfasser Coca-Vila stellt fest, dass der Gesetzgeber damit in einer digitalisierten Welt einen durchaus sinnvollen Paradigmenwechsel vollzogen hat und zu Recht davon ausgegangen ist, dass das Festhalten an der körperlichen Beschaffenheit des Trägermediums überholt ist. Zu den Regelungen, die ebenfalls eingehend begutachtet werden, zählt auch § 184 StGB (Verbreitung pornographischer Inhalte). Verfassungsrechtliche Bedenken der Norm sieht Schumann u. a. in ihrer Unvereinbarkeit mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Annahme, dass der Konsum bestimmter Sexualdarstellungen auf Minderjährige negative Auswirkungen habe und so strafbewehrte Jugendschutzbestimmungen rechtfertige, sei nicht mehr hinreichend belegt. Die Jugendschutztatbestände des § 184 StGB würden auf ca. 50 Jahre alten Annahmen beruhen. Schumann stellt fest, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, regelmäßig zu überprüfen, ob diese Annahme noch zutrifft. Lange Zeit sei es aus forschungsethischen Gründen nicht möglich gewesen, Jugendliche mit Pornografie zu konfrontieren, um deren Wirkung festzustellen. Heute gebe es durch die relativ frei zugängliche Internetpornografie genügend Proband:innen, um solche Studien durchführen zu können, ohne sie dafür mit pornografischen Inhalten konfrontieren zu müssen.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass das Werk insbesondere durch seine Aktualität, seine Ausführlichkeit und seine benutzerfreundliche Handhabe überzeugt. Mit seinem inhaltlichen Zuschnitt und seiner verständlichen Schreibweise wird es sowohl Praktiker:innen, Wissenschaftler:innen, aber auch Strafrechtler:innen – wie von den Herausgebern angestrebt – eine große Hilfe sein.

Anke Soergel