Medien starten Kampagne für Qualitätsjournalismus

Aufgrund zahlreicher erfundener und fehlerhafter Informationen in sozialen Netzwerken haben es seriöse Medien immer schwerer, gut recherchierte und überprüfte Informationen glaubwürdig zu vermitteln. Durch Künstliche Intelligenz sind darüber hinaus Fälschungen möglich, die völlig authentisch wirken. Ein Verbund zahlreicher Medienhäuser will 2024 eine Nachrichtenkompetenzinitiative starten, um vor allem Jugendliche vom Wert seriöser und überprüfter Informationen zu überzeugen.

Online seit 06.11.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/medien-starten-kampagne-fuer-qualitaetsjournalismus-beitrag-1122/

 

 

Medienpädagogik und die Stärkung von Medienkompetenz war bisher meist eine Unternehmung von Pädagogen, von Schulen oder gemeinnützigen Institutionen wie der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur, den Landesmedienanstalten, der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen, SCHAU HIN! oder klicksave. Die Erkenntnis, dass man Jugendliche nicht allein durch Maßnahmen wie Altersfreigaben oder Sendezeitbeschränkungen vor gefährdenden Inhalten schützen kann, ist nicht neu. Schon seit Jahrzehnten herrscht ein Bewusstsein dafür, dass man Kindern und Jugendlichen die Funktionsweisen unterschiedlicher Medien, Genres und Formate vermitteln muss, um eine höhere Kritikfähigkeit gegenüber den Inhalten zu erreichen.
 

Medienkompetenz bisher nicht flächendeckend vorhanden

Obwohl Medienpädagogik in Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft seit Langem angemahnt wird, halten sich die Kultusminister mit breit angelegten Maßnahmen zurück. Die systematische Integration von Medienpädagogik in die Lehrerausbildung lässt noch zu wünschen übrig. Überwiegend hängt es vom Engagement einzelner Lehrer ab, ob die Schüler mit Medienpädagogik in Berührung kommen oder nicht. Im Deutschunterricht steht nach wie vor die geschriebene Literatur im Vordergrund, während audiovisuelle Medien eher ein Schattendasein führen. Nun haben auch die seriösen Medien erkannt, dass sie selbst durch künstlich erzeugte Informationen, etwa mithilfe von ChatGPT, und durch die generell schnelle Verbreitung von Fake News an Vertrauen und Bedeutung verlieren.
 

Medienhäuser werden aktiv

Unter dem Titel #UseTheNews starten deutsche Medienhäuser jetzt eine Kampagne, die Jugendlichen helfen soll, Fake News besser von seriösen Informationen unterscheiden zu können. Außerdem sollen sie für die Bedeutung vertrauenswürdiger Informationen für die Konstruktion ihrer Weltsicht und Meinungen sensibilisiert werden. Hinter der Kampagne stehen rund 40 öffentlich-rechtliche und private Medienhäuser sowie Stiftungen und Bildungseinrichtungen.

Im ‚Jahr der Nachricht‘ soll es unter anderem tägliche Social-Media-Aktionen geben, bei denen Schulklassen mitmachen können, außerdem Workshops und Partnerprojekte zwischen Schulen und Lokalredaktionen sowie eine Kommunikationskampagne.“(RND/dpa 2023)

Neben der täglichen Social-Media-Show zu einem speziellen Nachrichtenthema, sollen sogenannte Social-Media-Desks eingerichtet werden. An diesen würden 14- bis 24-Jährige in verschiedenen Medienhäusern lernen können, wie in seriösen Medienunternehmen gearbeitet wird. Die Jugendlichen sollen dort zum Beispiel erfahren können, mit welchen Methoden und welcher Sorgfalt der Wahrheitsgehalt von Informationen überprüft wird, bevor sie veröffentlicht werden. Aufgerufen zu dieser Initiative haben die Nachrichtenagentur dpa Deutsche Presse-Agentur und der Hamburger Senat. Sie wird von zahlreichen Medienhäusern mitgetragen. (Vgl. epd medien 2023) Ergänzend zum Jahr der Nachricht wird ab Oktober 2024 eine Sonderausstellung im Museum für Kommunikation in Berlin gezeigt (vgl. ebd.).
 

Kropsch will „Nachrichtenkompetenzinitiative“

Peter Kropsch, Vorsitzender der Geschäftsführung der dpa, nennt das Projekt eine „Nachrichtenkompetenzinitiative“: Jugendliche sollen erfahren, was vertrauenswürdige Medien wert sind und zu deren Nutzung angeregt werden. Aus seiner Sicht ist der Vertrauens- und Relevanzverlust journalistischer Medien alarmierend. (Vgl. ebd.)

Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der FUNKE Mediengruppe, sieht die Presse- und Medienfreiheit aktuell durch Desinformation, Fake News und zunehmende Angriffe auf Journalisten in Gefahr. Hinzu komme der wirtschaftliche Druck auf unabhängige Medien. Becker sitzt im Leitungskreis des #UseTheNews-Kuratoriums. (Vgl. RND/dpa 2023)
 

Fake News wirken immer authentischer

Ein Problem liegt darin, dass Fake News immer schwerer zu erkennen sind und nicht mehr nur in Form von Falschaussagen auftreten. Während es in der Vergangenheit meist um falsche Tatsachenbehauptungen auf Social-Media-Plattformen ging, ist es durch Künstliche Intelligenz inzwischen möglich, sogenannte Deepfakes zu erstellen. Mit solch höchst realistisch wirkendem aber manipuliertem oder künstlich generiertem Audio-, Video- oder Bildmaterial kann die Wahrnehmung ganzer Ereignisse gelenkt werden. Der ARD-Vorsitzende und SWR-Intendant Kai Gniffke konstatierte, es werde immer schwerer, zwischen Wirklichkeit und Fälschung zu unterscheiden (vgl. Lechler 2023). Deshalb sei der Qualitätsjournalismus für alle von großer Bedeutung, letztlich hänge die Zukunft unserer Demokratie davon ab (vgl. ebd.). Verschiedene Studien zeigen, dass das Nachrichteninteresse und die Nachrichtennutzung sowie das Vertrauen in Nachrichten seit Jahren abnehmen (vgl. u. a. Behre et al. 2023).
 

Es drohe der Verlust einer gemeinsamen Faktenbasis

Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) äußert sich ähnlich wie Gniffke: „Uns droht die gemeinsame Faktenbasis für den demokratischen Diskurs abhandenzukommen, und damit eine Grundlage unserer liberalen Demokratie.“ (epd medien 2023)

An der Aktion beteiligen sich ARD, ZDF und RTL/n-tv sowie „DER SPIEGEL“, die FUNKE Mediengruppe sowie Verlegerverbände. Aber auch die Landesmedienanstalten, die Bundeszentrale für politische Bildung, die Madsack Stiftung und die ZEIT-Stiftung sind dabei.

Quellen:

Behre, J. / Hölig, S. / Möller, J.: Reuters Institute Digital News Report 2023. Ergebnisse für Deutschland. In: Arbeitspapiere des Hans-Bredow-Instituts, Projektergebnisse Nr. 67, Juni 2023. Abrufbar unter www.ssoar.info (letzter Zugriff: 03.11.2023)

Lechler, P.: Initiative "Use The News": 2024 soll das Jahr der Nachricht werden. In: SWR aktuell, 26.10.2023. Abrufbar unter www.swr.de (letzter Zugriff: 03.11.2023)

epd medien: Kampagne für mehr Medienkompetenz. In: epd medien, 26.10.2023. Abrufbar unter w.epd.de/digital/med/2023/10/26/ (letzter Zugriff: 03.11.2023)

RND/dpa: Initiative „use the news“. „Was ist Wirklichkeit und was Fälschung?“: Medienbündnis stößt Kampagne gegen Desinformation an. In: RND.de, 27.10.2023. Abrufbar unter www.rnd.de (letzter Zugriff: 03.11.2023)