Glööcklich in Berlin

Herr Glööckler sucht das Glück

Katja Spranz

Katja Spranz hat Kulturanthropologie in Rom studiert und war dann TV-Redakteurin (u. a. bei Big Brother). Während ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“ in Bonn hat sie über Fernsehkrimiserien in der DDR promoviert.

Programm Herr Glööckler sucht das Glück
 Reportage, D 2023
SenderRTLZWEI, ab 12.07.2023

Online seit 31.07.2023: https://mediendiskurs.online/beitrag/gloeoecklich-in-berlin-beitrag-1124/

 

 

Harald Glööckler war zwar schon im Dschungel – aber auserzählt ist seine Geschichte noch lange nicht: Die Dokusoap Herr Glööckler sucht das Glück begleitet das „neue“ Leben des exzentrischen Designers in Berlin. Er hat sich nach 35 Jahren von seinem Mann getrennt – eine kleine Ewigkeit für eine Beziehung im Showbusiness: Wenn das nicht der Start eines neuen Lebensabschnittes ist! Das Reality-Format gibt zwar teils intime Einblicke in sein Leben (zum Beispiel wenn er sich einer Schönheits-OP unterzieht), doch Glööckler gibt nicht alles von sich preis. Er zeigt einerseits, wenn er seine Ruhe haben will, lässt sich aber andererseits filmen, wenn er noch schnell die Wohnung putzen muss, da sich spontan hoher Besuch angekündigt hat.
 

Aufhübschen & flirten: Harald Glööckler beim Beauty-Doc!| Herr Glööckler sucht das Glück #02 (RTLZWEI, 20.07.2023)



In dieser Dokusoap scheint auch der echte Harald Glööckler durch. Reality-Teilneh­mer:­innen betonen meist, sie seien „authentisch“ – der Verdacht, „fake“ zu sein, ist die größte Beleidigung. Doch diese Kategorien greifen bei Glööckler gar nicht: Normalität ist seine Sache nicht, Askese schon gar nicht! Vielleicht ist Harald auch gar nicht so anders als Herr Glööckler, vielmehr scheinen die Kunstfigur und der Mensch zu einem Wesen verschmolzen zu sein. Er erscheint als Schnelldenker, mit einem unerschöpflichen Repertoire an Aphorismen. An anderer Stelle erzählt er, dass seine Kindheit von Gewalt geprägt gewesen sei. Umso wichtiger scheint es ihm nun zu sein, alles schöner zu machen: Mehr ist mehr! Wie eine moderne Pipi Langstrumpf mit Blingbling: Er macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Und seine Abenteuer – mit neuen Flirts, Reisen und Awards – erlebt man als Zuschauer:in gerne mit; das macht die Sendung so charmant. Und was andere von ihm denken, ist ihm sowieso egal.

 


Freigegeben ab …
 

Der FSF lagen einzelne Episoden der 1. Staffel zur Prüfung vor, auf die sich die folgenden Ausführungen beziehen.

Die Prüfausschüsse diskutierten das Risiko einer sozialethischen Desorientierung in Bezug auf die Ausgangslage des Formats, das aus seinen voyeuristischen Tendenzen keinen Hehl macht: Doch hier tritt ein schlagfertiger Medienprofi vor die Kamera, der weiß, was er tut. Für die Bewertung unter Jugendschutzgesichtspunkten ist es bei Reality-Formaten auch immer wichtig zu prüfen, ob ein naiver und/oder junger Mensch vorgeführt und herabgewürdigt wird. Der Off-Kommentar, der Glööcklers Show begleitet, kann in der Tat so manches Mal ironische Töne anschlagen. Es wird sich aber nicht über Harald Glööckler – oder andere Promis – lustig gemacht, das macht der Designer selbst am besten. Etwa wenn er die Eigendarstellung vieler Celebritys auf die Schippe nimmt: „Prominente trinken immer nur Wasser, die lassen nichts [an sich] machen!“

Auch so manche Anzüglichkeiten kann man dem Paradiesvogel durchgehen lassen: Sie sind immer humorvoll, bestimmen nicht die Sendung, bleiben eindeutig zweideutig auf der Sprachebene und für Kinder kaum decodierbar. Bei der Darstellung von ästhetischer Chirurgie – Glööckler hat so einiges machen lassen und lässt sich auch bei Eingriffen filmen – muss geprüft werden, ob bei Kindern und Jugendlichen der Eindruck entstehen könnte, diese Eingriffe seien normal und geeignet, das eigene Leben zu verbessern. Doch Glööckler ist als schillernde Ausnahmefigur inszeniert, es gibt keine drastischen Bilder, und die Risiken der OPs werden benannt. Seine Erscheinung in ihrer Exzentrik propagiert kein bestimmtes Schönheitsideal, das junge Leute nachahmen sollten – vielmehr steht er für ein positives Selbstbild, Respekt vor dem Anderen und eine bedingungslose Liebe zum eigenen Anderssein: Und das ist eine Botschaft, die im besten Sinne in unsere Zeit passt.

Die diskussionswürdigen Inhalte sind daher nach Einschätzung der FSF-Prüfausschüsse ausreichend relativiert, um eine sozialethische Desorientierung für ab 12-jährige, aber auch für jüngere Kinder auszuschließen. Die vorgelegten, geprüften Episoden konnten daher für das Tagesprogramm, verbunden mit einer Altersfreigabe ab 12 Jahren freigegeben werden.
 

Bitte beachten Sie:
Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Weiterlesen:
Sendezeiten und Altersfreigaben

Hinweis:
Pay-TV-Anbieter oder Streamingdienste können eine Jugendschutzsperre aktivieren, die von den Zuschauer:innen mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. In dem Fall gelten nicht die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1§ 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.

Weiterlesen:
Jugendschutz bei Streamingdiensten