Remakes

Gerd Hallenberger

Dr. habil. Gerd Hallenberger ist freiberuflicher Medienwissenschaftler.

Als Remake bezeichnet man vor allem Neuverfilmungen fürs Kino, doch auch in der Musikbranche und im Fernsehbereich werden bereits bekannte Themen gern noch einmal aufgegriffen und in einer anderen Version herausgegeben. 

Printausgabe tv diskurs: 22. Jg., 3/2018 (Ausgabe 85), S. 88-89

Vollständiger Beitrag als:

„Play it again, Sam“ – eines der bekanntesten Zitate aus dem Kultfilm Casablanca (1942) scheint ein wichtiges Rezept für die Produktion neuer Medienerfolge zu beinhalten – wenn man alte Erfolge richtig adaptiert, lassen sich daraus neue machen. Das Remake unterscheidet sich dabei immer in wichtigen Punkten von der Vorlage. Das bedeutet auch: Man muss die Vorlage nicht kennen, um das Remake zu mögen. Das gilt übrigens für das Zitat selbst: Tatsächlich stammt es gar nicht aus Casablanca, sondern ist ebenfalls ein Remake. Sowohl Ilsa als auch Rick, die Protagonisten des Films, verwenden andere Formulierungen, um den Pianisten Sam dazu zu bringen, As Time Goes By zu spielen. Die exakte Formulierung tauchte erst viel später auf – 1972 als Titel eines Woody-Allen-Films und 1983 als Name eines belgischen Schallplattenlabels.

Der Begriff „Remake“ wird vor allem mit Kinofilmen verbunden, das Konzept existiert jedoch in vielen Medien. Prominente Beispiele aus der Filmgeschichte sind beispielsweise die Neuverfilmung von Alfred Hitchcocks Psycho (1960) durch Gus Van Sant (1998) oder der Ghostbusters (1984) mit einer nun weiblichen Besetzung der Titelrollen (2016). In Ausnahmefällen kann der gleiche Stoff sogar mehr als einmal neu verfilmt werden, etwa King Kong (1933, 1976, 2005) oder Godzilla (1954, 1998, 2014). Zum Rekord reicht das jedoch noch lange nicht: Die meisten Verfilmungen bis heute weist Shakespeares Drama Hamlet auf, nämlich etwa 50. Bei einem Remake geht es darum, einen Stoff an ein anderes Umfeld anzupassen oder neu zu interpretieren – in der Regel um beides, aber in wechselnder Gewichtung. Die Ziele, die damit verfolgt werden, sind entweder ökonomische oder künstlerische – in der Regel spielen auch hier beide eine Rolle, ebenfalls in unterschiedlicher Verteilung.

Was die Anpassung betrifft, können Remakes auf vielfältige Weise auf andere Kontexte eingehen. Beispielsweise auf neue technische Möglichkeiten und neue mediale Konkurrenzsituationen oder auf andere Zielgruppenvorstellungen. Am wichtigsten sind jedoch veränderte kulturelle Kontexte: Wer etwa einen 50 Jahre alten Film im gleichen Land neu ins Kino bringen will, muss selbst dann viel ändern, wenn das Original weitgehend unverändert bleiben soll – weil sich der neue Film an ein anderes Publikum mit anderer Lebenswelt, anderen Erwartungen und teilweise sogar anderen Wertvorstellungen richtet. Aber auch bei einem geringen zeitlichen Abstand können Exportabsichten sogar bei vermeintlicher kultureller Nähe zwischen Ursprungs- und Zielland ein Remake erfordern. So geht Hollywood bis heute davon aus, dass amerikanische Kinobesucherinnen und -besucher keine synchronisierten oder untertitelten Filme in ihnen unbekannten Schauspielerbesetzungen sehen wollen und dreht deshalb Erfolg versprechende europäische Filme immer nach.

Ein zweiter Medienbereich, in dem Remakes weitverbreitet sind, ist die Musikbranche. Seit den 1950er-Jahren kennt man sie in der Popmusik vor allem unter dem Begriff „Coverversion“. Ursprünglich sollten im Genre Rock ’n’ Roll Coverversionen einem populären Titel zu größerem Erfolg bei anderen Publika verhelfen, was vor allem hieß, schwarze Musik in textlich wie musikalisch geglätteten Versionen für ein weißes Publikum zuzurichten. Bis heute wird der Begriff auch für andere Formen des Umgangs mit musikalischem Material verwendet, nämlich Neuinterpretationen. Schon die 1960er-Jahre boten zahlreiche einschlägige Beispiele: Mit am bekanntesten dürfte dabei All Along the Watchtower sein, dessen frugale Originalfassung von Bob Dylan weitaus weniger bekannt ist als die opulent produzierte Interpretation durch die Jimi Hendrix Experience. Die kreative Auseinandersetzung mit Fremdkompositionen ist seitdem Element popmusikalischer Entwicklung geblieben – sei es als Neuaneignung älterer Hits wie bei den Dekonstruktionen von Dave Stewart und Barbara Gaskin (It’s My Party, 1981), sei es als Modernisierung von Sound und Arrangement wie beispielsweise bei Felix Jaehns Neufassung von Ain’t Nobody (2015), einem Funk-Klassiker der Band Rufus (Sängerin: Chaka Khan).

Bezogen auf das Fernsehen ist traditionell seltener von Remakes die Rede, in jüngerer Zeit jedoch häufiger und mit mehr Bedeutungsvarianten, was auch an der Zunahme einschlägiger Phänomene liegen mag. Dabei lassen sich drei Grundvarianten unterscheiden. Bei der ältesten handelt es sich genau genommen nicht um ein Remake, sondern um einen Medienwechsel – Kinofilme dienen als Grundlage von Fernsehserien, von Lassie über Ein seltsames Paar bis zu Lethal Weapon. Was bislang fast ausschließlich das Hollywoodkino betraf, gibt es inzwischen auch in Deutschland, denn RTL Crime lässt eine Miniserie auf der Grundlage des Filmklassikers M – Eine Stadt sucht einen Mörder(1931) produzieren.

Eine besondere zweite Variante ist das Remake britischer Fernsehserien für den US-Markt. Derzeit prominentestes Beispiel ist sicher House of Cards, die Transposition einer britischen Miniserie aus dem Jahr 1990 in die heutigen USA. Dass solche Remakes oft mit massiven kulturellen Differenzen zu tun haben, veranschaulicht Cracker (ab 1993, deutscher Titel: Für alle Fälle Fitz), eine Krimiserie um einen von Robbie Coltrane gespielten Polizeipsychologen, der mit all seinen Lastern und Problemen geradezu den Prototyp eines Antihelden darstellt (Spieler, Alkoholiker, Kettenraucher und depressiv). Für das US-Fernsehen wurde – so die Kritik – eine weichgespülte Version produziert, die aber keinen Erfolg hatte.

Die dritte Variante ist das tatsächliche Remake, die erneute Produktion von Fernsehklassikern. Dies geschieht gelegentlich bei Kultserien wie The Prisoner (1967-1968 / 2009), häufiger dagegen bei großen Erfolgen mit einem Konzept, das sich durch die Zeit transportieren lässt wie etwa Hawaii Five-0 (ab 1968/ab 2010) oder Roots (1977 / 2016). Von Remakes ist heute auch bei nonfiktionaler Unterhaltung die Rede, so bei der 2013 gestarteten neuen Version der von Hans Rosenthal erfundenen Gameshow Dalli Dalli. Und dieser Umstand erinnert daran, dass die weltweit am meisten verbreitete Variante von Remakes unter einem anderen Namen bekannt ist: Formatfernsehen.