Panorama 98

Printausgabe tv diskurs: 25. Jg., 4/2021 (Ausgabe 98), S. 60-61

Vollständiger Beitrag als:

 

Public-Value-Verfahren gestartet

Am 1. September 2021 ist die Public-Value-Satzung der Medienanstalten in Kraft getreten. Sie regelt, nach welchen Kriterien der Public-Value-Status vergeben wird, welcher Anbietern eine leichte Auffindbarkeit auf Medienplattformen und TV-Apps garantiert und durch die Privilegierung gemeinwohldienlicher Medieninhalte die Meinungsvielfalt sichern soll. Als Maßstäbe für den Public Value eines Angebots werden in § 84 des Medienstaatsvertrags (MStV) folgende Punkte genannt: „1. der zeitliche Anteil an nachrichtlicher Berichterstattung über politisches und zeitgeschichtliches Geschehen, 2. der zeitliche Anteil an regionalen und lokalen Informationen, 3. das Verhältnis zwischen eigen- und fremdproduzierten Programminhalten, 4. der Anteil an barrierefreien Angeboten, 5. das Verhältnis zwischen ausgebildeten und auszubildenden Mitarbeitern, die an der Programmerstellung beteiligt sind, 6. die Quote europäischer Werke und 7. der Anteil an Angeboten für junge Zielgruppen.“ Die Satzung konkretisiert diese Vorgaben und legt einen zeitlichen und verfahrenstechnischen Rahmen für die Vergabe des Public-Value-Status fest. Anträge konnten bis Ende September 2021 eingereicht werden. Im Frühjahr 2022 sollen die Anträge ausgewertet und über die Vergabe des Public-Value-Status entschieden sein. Die Medienanstalten veröffentlichen nach Abschluss des Bestimmungsverfahrens eine Liste für Bewegtbild- und Audioangebote, welche durch die Anbieter von Benutzeroberflächen umgesetzt werden muss.

Quellen:

Medienstaatsvertrag (MStV) Vom 14. – 28. April 2020, § 84 Auffindbarkeit in Benutzeroberflächen.
Abrufbar unter: https://www.gesetze-bayern.de

Satzung zur Durchführung der Vorschriften gemäß § 84 Abs. 8 Medienstaatsvertrag zur leichten Auffindbarkeit von privaten Angeboten (Public-Value-Satzung) vom 25. Juni 2021.
Abrufbar unter: https://www.die-medienanstalten.de

Die Medienanstalten: Nur noch wenige Wochen bis zum Start des Public-Value-Verfahrens. In: die-medienanstalten.de, 10.08.2021. Abrufbar unter: https://www.die-medienanstalten.de
Vaunet:Medienanstalten starten erste Ausschreibung nach Public-Value-Satzung am 1. September 2021. In: vau.net, 10.08.2021. Abrufbar unter: https://www.vau.net
 



Porno und Social Media

Ein Aufschrei des Entsetzens ging durch das Internet, als OnlyFans, eine britische Plattform, die für explizite sexuelle Fotos und Videos bekannt ist, in einer Pressemitteilung am 19. August 2021 verkündete, künftig keine pornografischen Inhalte („sexually explicit conduct“ – eindeutig/explizites sexuelles Verhalten, so heißt es in der Originalverlautbarung) mehr zulassen zu wollen. Grund für die öffentliche Ankündigung war wohl der Druck, den wichtige Zahlungsdienstleister wie Visa und Mastercard auf OnlyFans ausüben: Sie wollen nicht mit illegalen Inhalten in Verbindung gebracht werden. Ähnlich unter Druck geriet im vergangenen Jahr Pornhub: Nach einem Bericht der „New York Times“ über Missbrauchsdarstellungen und Vergewaltigungsvideos auf Pornhub zogen sich nach PayPal auch Visa und Mastercard von der Plattform zurück. Die Plattform setzte daraufhin drei Viertel des Filmbestandes auf den Status „ausstehende Verifizierung und Überprüfung“.

OnlyFans ruderte, nachdem zahlreiche Nutzer und Nutzerinnen angekündigt hatten, die Plattform verlassen zu wollen, schon nach wenigen Tagen zurück und verkündete, es werde nun doch kein komplettes Pornoverbot geben, man werde vielmehr Änderungen vornehmen, um den Anforderungen der Zahlungsdienstleister zu entsprechen. Mastercard verlangt in seinen Richtlinien für Erwachsenen-Inhalte u.a., dass Alter, Identität und Einwilligung aller in Videos auftretenden Personen verifiziert und dokumentiert sein müssen, auch soll kein anonymer Upload möglich sein dürfen, vielmehr müssten sämtliche Inhalte vor der Veröffentlichung geprüft werden. Zudem müsse ein rasches (binnen sieben Tagen) Beschwerdemanagement eingerichtet sein – mit Blick auf illegale und ohne Zustimmung der Beteiligten veröffentlichte Inhalte. Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW und Vorsitzender der European Regulators Group for Audiovisual Media Services (ERGA) (Verbund der nationalen Medienregulierungen in Europa), sieht in einem Interview in der „Welt am Sonntag“ dabei vor allem die Betreiber*innen einzelner Kanäle in der Pflicht: Geplant sei behördlicherseits, „die Damen und Herren, die auf ihren Konten pornografische Dienstleistungen verkaufen, intensiv daran [zu] erinnern, dass sie verpflichtet sind, ein zulässiges Jugendschutzsystem einzusetzen“. Abonnent*innen müssten mindestens 18 Jahre alt sein, Produzent*innen sowieso.

OnlyFans wurde 2016 gegründet und ist binnen weniger Jahre für viele Sexarbeiter*innen zur Existenzgrundlage geworden. Inzwischen hat die Plattform 130 Mio. Nutzer*innen. Insbesondere während der Coronapandemie erlebte OnlyFans einen enormen Zustrom sowohl von Abonnent*innen als auch von Produzent*innen, da Pornodrehs und kommerzielle reale sexuelle Kontakte nur unter massiv erschwerten Bedingungen möglich waren und sind. Das Geschäftsmodell sieht vor, dass Inhalte nur für Abonnent*innen sichtbar sind, wobei die Erotikschaffenden die Preise für Abos ihrer Kanäle selbst festlegen.

Neben der Frage, was legale und was illegale sexuelle Inhalte sind, stellt sich für die Plattform die Herausforderung, eine Vielzahl selbst produzierter Videos und Fotos, wenn schon nicht vor Veröffentlichung prüfen, so doch zumindest moderieren zu müssen. Einer umfangreichen Recherche der BBC zufolge ist dies bislang nicht besonders gut gelungen.

Quellen:

Culliford, E.: OnlyFans to ban content showing ‚sexually explicit conduct‘. In: Reuters, 19.08.2021. Abrufbar unter: https://www.reuters.com

Dang, S./Patnaik, S.: OnlyFans reverses ban on posting ‚sexually explicit‘ content. In: Reuters, 25.08.2021. Abrufbar unter: https://www.reuters.com

Eisenhart Rothe, Y. von: Doch kein Pornoverbot: Wie wichtig ist Onlyfans für Sexarbeit?. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland, 03.09.2021. Abrufbar unter: https://www.rnd.de

Kramer, J.:Onlyfans ohne sexuellen Content: Warum killt die Plattform ihren größten USP?In: t3n, 20.08.2021. Abrufbar unter: https://t3n.de

Neller, M.: Medienwächter wollen Internetdienste wie Onlyfans strenger regulieren. In: Welt.de, 13.03.2021. Abrufbar unter: https://www.welt.de

RND/Teleschau: Verbot aufgehoben: Onlyfans erlaubt weiterhin pornografische Inhalte. In: Redaktionsnetzwerk Deutschland, 25.08.2021. Abrufbar unter: https://www.rnd.de

Schesswendter, R.: Nach Visa-Rückzug: Pornhub löscht rund 9 Millionen Pornos. In: t3n, 15.12.2020. Abrufbar unter: https://t3n.de

Titheradge, N.: OnlyFans: How it handles illegal sex videos – BBC investigation. In: BBC News, 19.08.2021. Abrufbar unter: https://www.bbc.com

Verdeschi, J.: Protecting our network, protecting you: Preventing illegal adult content on our network. In: Mastercard Newsroom, 14.04.2021. Abrufbar unter: https://www.mastercard.com