nachgefragt: 6 und 7

Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF)

Im 25. Jahr des Bestehens der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) haben wir bei Medienschaffenden, Politikern sowie Pädagogen nachgefragt, wie sie den medialen Wandel einschätzen und welche Aufgabenschwerpunkte sie zukünftig für die Medienregulierung in Deutschland sehen.

Im Folgenden geht es um die Fragen:

6) Welchen Einfluss haben Individualisierung und Digitalisierung von AV-Angeboten auf die Inhalte?
7) Gehört den Algorithmen die Zukunft?

Weitere Fragen und Antworten können unter Webklusiv abgerufen werden.

Printausgabe tv diskurs: 23. Jg., 2/2019 (Ausgabe 88), S. 45-45

Vollständiger Beitrag als:


6) Welchen Einfluss haben Individualisierung und Digitalisierung von AV-Angeboten auf die Inhalte?

 

Eine Ausdifferenzierung wird vor allem nach Nutzungsmodus und Endgerät erfolgen, z.B. mit verstärkter Verbreitung von Kurzforminhalten bei der mobilen Nutzung. Insgesamt wird damit die Vielfalt steigen, da auch lineare Kanäle stärker fragmentieren und Serien sowie Filme on demand häufiger genutzt werden.“

Claus Grewenig, Leiter des Bereichs „Medienpolitik“ bei der Mediengruppe RTL Deutschland

 

Ich sehe eine immense Vielfalt. Gerade im Spielbereich gibt es mittlerweile auch viele kleinere Spieleentwickler (Indie-Entwickler), die es ohne die Digitalisierung in dieser Form gar nicht geben würde. Hier sehe ich ganz viel Kreativität, die letzten Endes zu mehr Vielfalt führt anstatt zu einer Simplifizierung von Inhalten.“

Elisabeth Secker, Geschäftsführerin der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK)

 

Trotz aller Individualisierung und Digitalisierung der Angebote wird es auch weiterhin einen Mainstream und Formate „mit Lagerfeuer-Charakter“ geben. Daneben wird es aber eine Vielzahl anderer Inhalte geben. Mittels künstlicher Intelligenz und Empfehlungssystemen werden diese Angebote und ihre Auswahl für den Einzelnen immer weiter auf die individuellen Nutzungssituationen und inhaltlichen Präferenzen zugeschnitten. Diese Entwicklung ist zunächst einmal positiv und kann Qualität und Vielfalt der Angebote weiter steigern. Entscheidend wird sein, dass die Vielfalt der AV-Angebote für den einzelnen Nutzer auffindbar bleibt […].“

Dr. Anja Zimmer, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb)

 

7) Gehört den Algorithmen die Zukunft?

 

Ich setze zwar große Hoffnung in die Entwicklung von algorithmenbasierten Kennzeichnungssystemen, sehe aber gleichermaßen noch Herausforderung im Einsatz von Algorithmen und künstlicher Intelligenz: Mit welchen Daten werden diese Systeme gefüttert? Auf der Basis welcher Werte und Normen wird entschieden? Erreichen wir damit tatsächlich höhere Vergleichbarkeiten von Entscheidungen, die weniger anfechtbar sind als die von ‚echten Menschen‘? […]“

Dr. Anna Grebe, Leiterin des Initiativbüros Gutes Aufwachsen mit Medien

 

Die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) entwickelt derzeit ein Selbstklassifizierungssystem für filmische Inhalte. Mit dem webbasierten System sollen Rechteinhaber die Möglichkeit erhalten, valide, rechtssichere Altersklassifikationen für filmische Inhalte zu erhalten – sehr schnell sowie zeit- und ortsunabhängig. […] Das Klassifizierungstool muss jedoch – genau wie die Spruchpraxis in den Prüfausschüssen – kontinuierlich weiterentwickelt werden, um neue mediale Inhalte und Problemstellungen richtig zu erfassen. Sachverständigengremien sind für diese Aufgabe unverzichtbar.“

Stefan Linz, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)

 

Das Gremienprüfverfahren auf Grundlage des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) führt zu dem seit vielen Jahren erfolgreichen System der Alterskennzeichnung. Dabei spiegeln die Prüfungen in Ausschüssen auch gesellschaftliche und individuelle Normen und Wertvorstellungen wider. Pluralität muss sich daher auch abbilden, wenn zukünftig vermehrt technische, auf Algorithmen basierende Altersbewertungen erfolgen. Ein moderner Jugendmedienschutz schließt beide Systeme mit ein.“

Nicole Müller, Leiterin des Referats „Jugendschutz, Jugend und Medien“ im Ministerium für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz Rheinland-Pfalz

 

Algorithmenbasierte Selbstklassifizierung ist zwar eine nette Spielerei, kann aber die Fachkompetenz in Ausschüssen und Sachverständigengremien nicht ersetzen. Denn auch, wenn von der Medienindustrie die Rede ist, werden weder Filme noch Serien und Shows industriell hergestellt, sondern bewegen sich in einem Spannungsfeld von Genrekonventionen und hochindividueller Erzählung und Inszenierung. Dieses Spannungsfeld können Algorithmen nicht erkennen und nicht abbilden.“

Dr. Lothar Mikos, Professor für Fernsehwissenschaft an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF