Juristische Urteile/Beschlüsse (Ausg. 88)

Redaktion Recht

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Wie weit reicht die Verantwortung für mehr Sauberkeit im Netz?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) muss über die Löschpflichten von Hostprovidern entscheiden. Der Fall: Eva Glawischnig, damals Grünen-Vorsitzende in Österreich, klagte gegen Facebook auf Löschung mehrerer sie diffamierender Posts („miese Volksverräterin“). Der Oberste Gerichtshof in Österreich hatte den Fall dem EuGH zur Beantwortung zweier Fragen vorgelegt. Konkret: Reicht es, wenn ein solcher Post allein in Österreich und nicht weltweit gesperrt wird? Und müsste das Netzwerk nicht auch Vorsorge betreiben, um zumindest „sinngleiche“ Behauptungen für die Zukunft zu unterbinden? Der EuGH wird entscheiden, ob er Art. 15 E-Commerce-Richtlinie, der das Verbot proaktiver Verhinderungspflichten enthält, eng oder weit auslegt. Das Urteil wird im Sommer erwartet, eins steht jedoch bereits fest: „Der Fall rührt ans Herz der digitalen Ordnung“.

Janisch, W.: Europäischer Gerichtshof. Elf Likes für „miese Volksverräterin“. In: Süddeutsche Zeitung, 13.02.2019 (letzter Zugriff: 25.03.2019)
 



Digitaler Nachlass – Zugang zum „stillgelegten“ Facebook-Benutzerkonto?

Im Sommer 2018 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt, dass auch der digitale Nachlass den Erben gehöre. Zum Fall: Eltern einer verstorbenen Tochter erstritten gegen das Netzwerk Zugang zu dem in den sogenannten Gedenkzustand gesetzten Facebook-Account, um darüber an Informationen über einen vermuteten Suizid der Tochter zu gelangen. Bislang hat Facebook den Eltern einen Stick übermittelt, der ein 14.000-seitiges Dokument mit Nachrichten, Fotos und Posts enthält. Das Netzwerk ist der Ansicht, dem Urteil des BGH damit entsprochen zu haben. Die Eltern jedoch zeigten sich mit dieser Informationsvermittlung nicht zufrieden, sodass sie einen Zwangsgeldbeschluss gegen Facebook erwirkten. Das zuständige Berliner Landgericht beschloss zugunsten der Eltern, wie es im Artikel heißt: „Facebook sei bisher nicht der Verpflichtung nachgekommen, den Eltern ‚Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten‘ der verstorbenen Tochter zu gewähren […]. Die Einrichtung eines ‚passiven Modus‘, bei dem man auf Inhalte zugreifen, aber nicht darüber kommunizieren kann, sei technisch unmöglich“, entgegnete das Netzwerk und kündigte an, weitere rechtliche Schritte zu prüfen.

dpa/mgö/LTO-Redaktion: Zwangsgeldbeschluss gegen Facebook. 14.000 Seiten digitaler Nachlass sind nicht genug. In: Legal Tribune Online (LTO), 25.02.2019 (letzter Zugriff: 25.03.2019)
 



„UK-Drill“ – noch härter als Gangsta-Rap?

Großbritannien. Ein einmaliges Urteil: Zwei Jahre Haft auf Bewährung für die beiden „Drill“-Rapper Skengdo und AM. Das Musikgenre UK-Drill gilt als noch härter als Gangsta-Rap, sticht insbesondere durch seine brutalen Texte hervor. Ein live von den beiden Rappern performter Song Attempted lieferte der Polizei den Beweis dafür, dass sich die Musiker aktiv an der Gangkriminalität in London beteiligen und zu Gewalt aufrufen. Für eine Verurteilung reichte ihr „bloßer“ Auftritt, tatsächliche Gewalttaten konnten ihnen hingegen nicht nachgewiesen werden. Die Polizei begrüßte das Urteil und wertete es als wichtigen Schritt im Kampf gegen die drastisch zunehmende Straßenkriminalität in London. Dagegen protestieren Organisationen, Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler, sie sehen die Kunstfreiheit der „Drill-Artists“ gefährdet. Einer der Rapper selbst weist auf den vorherrschenden Personalmangel bei der britischen Polizei hin und erklärt: „Die Lebensrealität der Menschen ist offensichtlich kein Problem. Ein Problem ist es aber, genau diese Lebensrealität in der Musik anzusprechen. Auch wenn es allgemein bekannt ist.“

Schenten, A. K.: Kriminalisierung von UK-Drill. Skengdo und AM – Soundtrack für Gangs. In: Grünstreifen. Deutschlandfunk Nova, 16.03.2019 (letzter Zugriff: 25.03.2019)
 



Influencer-Marketing: ein undurchsichtiges Geschäft

Influencerinnen und Influencer müssen sich immer häufiger vor Gericht verantworten – in der Regel geht es um die Fragestellung ordnungsgemäßer Kennzeichnung von Werbung. In einem Verfahren vor dem LG Karlsruhe begegneten sich dieses Mal der Berliner Verband Sozialer Wettbewerb und die Influencerin Pamela Reif. Das Landgericht entschied zugunsten des Verbandes: Die Influencerin muss Links zu Markenherstellern in ihren Instagram-Fotos künftig als Werbung kennzeichnen (Verstoß gegen § 5a Abs. 6 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Ihr Argument, die Posts seien nur zu privaten und nicht zu geschäftlichen Zwecken hochgeladen worden, ließ das Gericht nicht gelten – das Geschäftsmodell basiere darauf, geschäftlich und privat zu vermengen. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zum Influencer-Marketing existiere bislang noch nicht; es sei jedoch nur eine Frage der Zeit, bis ein erster Fall den Bundesgerichtshof (BGH) erreicht.

dpa/tik/LTO-Redaktion: Influencer-Marketing vor dem LG Karlsruhe. Ein schwammiges Geschäft. In: Legal Tribune Online (LTO), 21.03.2019 (letzter Zugriff: 26.03.2019)