Juristische Aufsätze 98

Redaktion Recht

Printausgabe tv diskurs: 25. Jg., 4/2021 (Ausgabe 98), S. 96-96

Vollständiger Beitrag als:

 

Wie verändert die Digitalisierung das Beleidigungsunrecht?

Die Verfasserinnen Hoven und Witting beleuchten in ihrem Beitrag die neue Dimension des Beleidigungsunrechts im digitalen Zeitalter. Zunächst werden die straf- und verfassungsrechtlichen Besonderheiten des Beleidigungstatbestandes (§ 185 Strafgesetzbuch [StGB]) erörtert. Erklärt wird u. a., dass nach traditioneller Lesart die Meinungsfreiheit des Täters (des Beleidigenden) dem Ehrschutz des Betroffenen gegenübersteht. Des Weiteren zeigen die Autorinnen die Gefahren auf, die der digitale Hass mit sich bringt.

Benannt wird zunächst die Intensität einer digitalen Ehrverletzung, hervorgerufen durch die mannigfache Verbreitung und das erschwerte Löschen diffamierender Beiträge. Parallel dazu habe der digitale Hass auch gesamtgesellschaftliche Folgen, erörtern Hoven und Witting, so würden sich Onlinebeleidigungen auf den freien gesellschaftlichen Meinungsaustausch generell auswirken. Die Autorinnen gehen in diesem Zusammenhang auf den Silencing-Effekt ein („Personen und Positionen werden aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt“), der insbesondere politisch Agierende betrifft.

Weiter wird ausgeführt, dass diese neuen Gefahren ein neues Schutzgutverständnis erfordern. So habe das Bundesverfassungsgericht 2020 einige Beschlüsse veröffentlicht („Mai-Beschlüsse“), die erkennen ließen, dass die Richter die Folgen von digitalem Hass ausdrücklich mit in die Prüfung des Beleidigungstatbestandes einbeziehen.

Schließlich gehen Hoven und Witting auf gesetzgeberische Überlegungen und Maßnahmen zu einer Erweiterung der Beleidigungsstrafbarkeit ein.

Quelle:

Hoven, E./Witting, A.: Das Beleidigungsunrecht im digitalen Zeitalter. In: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), 33/2021, S. 2.397 f.

Zu den Autorinnen:

Prof. Dr. Elisa Hoven, Inhaberin des Lehrstuhls für deutsches und ausländisches Strafrecht, Strafprozessrecht, Wirtschafts- und Medienstrafrecht an der Universität Leipzig; Alexandra Witting, wissenschaftliche Mitarbeiterin

Weitere Informationen:

Die Professur der Verfasserin Prof. Dr. Elisa Hoven befasst sich im Forschungsgebiet „Medienstrafrecht“ derzeit intensiv mit der Problematik des sogenannten „digitalen Hasses“. Hoven verweist in ihrem Beitrag auf eine Interviewstudie Hate Speech. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Diese dient als Grundlage für ein auf drei Jahre angelegtes Forschungsprojekt zu dem Thema „Digitaler Hass“, das vom Bundesjustizministerium unterstützt wird. Wesentliche Ergebnisse der Studie sind u. a., dass digitale Hassrede als Thema sehr präsent bei einem Großteil der Bevölkerung ist und dass sich 43 % der Bürgerinnen und Bürger für härtere Strafen einer Onlinebeleidigung aussprechen.

Quelle:

Universität Leipzig (Hrsg.): Hate Speech. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Hamburg, 09.07.2020. Abrufbar unter: https://www.jura.uni-leipzig.de