Jugendschutzvorkehrungen bei Streamingdiensten

Joachim von Gottberg

Prof. Joachim von Gottberg ist Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) und Chefredakteur von tv diskurs.

Die deutschen Jugendschutzbestimmungen gelten zwar auch für Streamingdienste, da diese jedoch meistens ihren Sitz im Ausland haben, kann man Sanktionen bei Verstößen gegen deutsches Recht nicht durchsetzen. Die Folge ist, dass alle Streamingdienste zwar über Jugendschutzvorkehrungen verfügen, diese aber bei jedem Dienst sehr unterschiedlich gestaltet und auffindbar sind. Im Folgenden werden die Jugendschutzvorkehrungen der bekanntesten Dienste beschrieben.

Printausgabe tv diskurs: 22. Jg., 3/2018 (Ausgabe 85), S. 14-17

Vollständiger Beitrag als:

Streamingdienste fallen unter den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV). Danach dürfen Anbieter Inhalte, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) eine Freigabe „ab 16 Jahren“ erhalten haben, nur in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06:00 Uhr und solche mit einer Freigabe „ab 18 Jahren“ nur zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr gestreamt werden. Die Anbieter müssen in diesem Fall außerdem „auf eine Kennzeichnung nach dem Jugendschutzgesetz in ihrem Angebot deutlich hinweisen.“ (§ 12 Abs. 1 JMStV). Filme und Serien, die der FSK nicht vorgelegen haben – also z.B. Eigenproduktionen der Dienste –, müssen ebenfalls bei Jugendschutzrelevanz zeitbeschränkt oder zugangsbeschränkt angeboten werden, allerdings kann hier die Bewertung durch die Anbieter selbst erfolgen. Dabei ist ein Rückgriff auf Freigaben der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) möglich, was aber nur selten geschieht. Bei Filmen mit FSK-Freigabe reicht die Formulierung „ab 16 Jahren“ nicht, da daraus nicht ersichtlich wird, dass es sich um eine Freigabe nach dem Jugendschutzgesetz handelt. Sinnvoll wäre die Verwendung des FSK-Kennzeichens, insbesondere auch deshalb, weil es optisch von DVDs bekannt ist. Bei anderen Freigaben (FSF oder eigene Bewertungen) ist der Hinweis dagegen gesetzlich nicht vorgeschrieben.

Ein Anbieter kann auf Zeitbeschränkungen, die sich aus Alterseinstufungen ergeben, verzichten, wenn er „durch technische oder sonstige Mittel die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe unmöglich macht oder wesentlich erschwert, oder das Angebot mit einer Alterskennzeichnung versieht, die von geeigneten Jugendschutzprogrammen nach § 11 Abs. 1 und 2 ausgelesen werden kann“ (§ 5 Abs. 3 Ziff. 1 JMStV). Schließlich muss vom Anbieter beachtet werden:

Ist eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung im Sinne von Absatz 1 nur auf Kinder unter 14 Jahren anzunehmen, erfüllt der Anbieter von Telemedien seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot getrennt von für Kinder bestimmten Angeboten verbreitet wird oder abrufbar ist.“ (§ 5 Abs. 3 Ziff. 5)

Diese Vorschriften gelten für alle Telemedien, die sich an ein deutsches Publikum richten. Will man allerdings bei Verstößen gegen diese Vorschriften Sanktionen wie beispielsweise Bußgelder durchsetzen, ist dies gegenüber Anbietern mit Sitz im Ausland fast unmöglich. Denn für sie gilt das Recht des Sitzlandes.
 

Netflix

Wie die meisten Streamingdienste bietet Netflix ein kostenloses einmonatiges Probeabo an. Wenn man es nicht kündigt, wird es danach automatisch kostenpflichtig verlängert. Wer sich für das Probeabo anmeldet, muss eine Kontonummer oder eine Kreditkartennummer angeben, sodass die Abogebühr nach drei Monaten eingezogen werden kann. Deshalb werden beim Anmeldeformular neben den üblichen Adressdaten auch das Alter und ein Zahlungsmittel abgefragt. Nach den AGB muss der Netflix-Nutzer mindestens 18 Jahre alt sein. Bei einer Probeanmeldung einer 15-jährigen Testperson (mit eigenem Konto) wurde das Geburtsjahr so angegeben, dass sie als 18 Jahre alte Kundin wahrgenommen wurde. Es erschien dann zwar die Meldung: „Dieser Vorgang kann derzeit nicht abgeschlossen werden. Bitte versuchen Sie es später noch einmal.“ Aber bei einer erneuten Anmeldung konnte das Angebot vollumfänglich genutzt werden. Eine Alterskontrolle über das Konto fand also offenbar nicht statt bzw. hatte keine Konsequenzen.

Die Hauptnutzerinnen und -nutzer können für Kinder Unterkonten anlegen. Jeder Name kann mit verschiedenen altersspezifischen Einstellungen verbunden werden. Dies ist aus Jugendschutzsicht recht sinnlos, wenn die Hauptnutzerin – wie im Testfall – erst 15 Jahre alt ist. Die möglichen Einstellungen entsprechen allerdings nicht den nach dem Jugendschutzgesetz (JuSchG) festgelegten FSK-Alterseinstufungen. Wenn man sich bei Netflix anmeldet, muss man jeweils auf ein Profil klicken. Hat der Hauptnutzer den einzelnen Konten keine PIN zugewiesen – was erst nach einigem Suchen möglich ist –, kann sich jedes Kind mit dem Konto des Hauptnutzers anmelden und ungehindert alle Angebote anschauen.

Jede Person bekommt bei der ersten Nutzung eine Sammlung verschiedener Filme zur Auswahl präsentiert. Auf Grundlage der individuellen Präferenzen erkennt Netflix den Geschmack des Nutzers und bietet auf seine Interessen zugeschnittene Vorschläge an.


Unter „Suche“ werden auch 18er-Titel wie The Walking Dead angezeigt, allerdings nicht unter den Zugängen für Kinder. 18er-Titel können in allen Bereichen nur wiedergegeben werden, wenn eine PIN eingegeben wird, die der Hauptnutzer am Anfang festgelegt hat. Wenn nichts festgelegt wurde, gilt 0000 als PIN. Dieselbe PIN muss bei 18er-Inhalten auch vom Hauptnutzer angegeben werden.

Neu bei Netflix ist, dass zu Beginn des Films oben links für wenige Sekunden die Altersfreigabe eingeblendet wird, also beispielsweise: „Altersfreigabe: 12“. Es ist nicht erkennbar, ob es sich um die FSK-Freigaben oder eine selbst erteilte Altersempfehlung handelt. Wenn man auf das Angebot klickt, öffnet sich ein Fenster mit zusätzlichen Informationen. Unter dem Menüpunkt „Details“ können entsprechende Einzelheiten zur Altersfreigabe und ihrem Zustandekommen nachgelesen werden.
 


Amazon Prime Video

Bei Amazon gibt es ebenfalls die Möglichkeit, für einen Monat ein kostenloses Probeabo abzuschließen. Die Anmeldeformalitäten sind einfach, sie funktionieren über Name und Adresse, der Geburtstag wird nicht abgefragt. Wichtig ist, dass eine Kontonummer angegeben werden kann, um nach Ablauf des Probeabos die Gebühren bezahlen zu können.

Nach erfolgter Anmeldung kann im Grunde alles gesehen werden, auch 16er-Filme. Bei 18er-Inhalten erfolgt allerdings eine gesonderte Altersabfrage, die entweder über die Angabe der Personalausweisnummer funktioniert oder über die Angabe des Kontos. Ansonsten gibt es keine Altersdifferenzierungen. FSK-Freigaben werden angegeben, wenn bekannt, allerdings – vergleichbar wie bei Netflix – nur sehr klein und ohne Hinweise darauf, wer Urheber der Altersfreigabe ist.
 


Offenbar wird dann, wenn keine FSK-Freigabe vorliegt, gar nichts angegeben. Über die Möglichkeit, eine PIN für Amazon Prime Video festzulegen, wird auf der Website Folgendes beschrieben: „Um die Kindersicherung und Kaufbeschränkungen für Amazon Video benutzen zu können, müssen Sie eine fünfstellige Amazon Video-PIN für Ihr Konto einrichten. Mehr erfahren Sie unter ‚Ihre Amazon Video-PIN einrichten‘ und ‚Kindersicherung einrichten‘.“ Da für einige Angebote zusätzlich eine Gebühr anfällt, kann der Zugang über die PIN für Dritte, auch die Kinder, verhindert werden. Auch Alterseinschränkungen können aktiviert werden und sind nur unter Eingabe der PIN zugänglich. Für 18er-Filme und -Serien muss einmalig eine Überprüfung des Alters durchgeführt werden.
 

Maxdome

Auch Maxdome bietet ein kostenloses Testabo für einen Monat an. Die Anmeldung ist relativ einfach, eine Altersnachfrage oder -überprüfung findet zunächst nicht statt. Allerdings muss der Anmelder eine Zahlungsmethode angeben. Im vorliegenden Fall wurde die Kontonummer (der Testperson) verwendet. Die Einrichtung des Abos setzt also nicht die Volljährigkeit voraus. Grundsätzlich ist die Website mit einer Altersfreigabe ab 18 Jahren (age-de.xml-Label) gelabelt. Ist durch die Eltern auf dem PC ihrer Kinder ein Jugendschutzprogramm (z.B. JusProg) installiert und dies entsprechend eingestellt, haben Kinder unterhalb des eingestellten Alters keinen Zugang zur Maxdome-Seite. Um bis zur Anerkennung eines Jugendschutzprogramms für mobile Plattformen durch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sicherzustellen, dass sich Nutzer nicht mit mobilen Devices (insbesondere Tablet oder Smartphone) über maxdome.de eine Jugendschutz-PIN setzen können, führt Maxdome einen sogenannten „Mobile Check“ durch. Wenn über ein mobiles Betriebssystem auf Maxdome zugegriffen wird, ist die initiale Jugendschutz-PIN-Vergabe nicht möglich und das Jugendschutz-PIN-Vergabefeld für den Kunden nicht sichtbar. Sowohl in der Registrierungsmaske als auch in allen Bereichen unter „Mein Account“, in denen das initiale Setzen der Jugendschutz-PIN von einem Desktop-PC aus möglich wäre, werden dem Nutzer keine Jugendschutz-PIN-Vergabefelder angezeigt.

Eine Altersverifikation findet dann statt, wenn der Nutzer auf 18er-Inhalte zugreifen will. Zum Einsatz kommt hier nach Angaben des Veranstalters der sogenannte Perso-Check, der von der KJM als ein Instrument der Zugangserschwernis anerkannt ist (siehe Technische Mittel in kjm-online.de). Standardmäßig muss auf Maxdome erst bei 18er-Inhalten die Jugendschutz-PIN eingegeben werden. Diese lässt sich unter „Mein Account“, „ Altersfreigabe“ individuell anpassen. Die Hauptnutzer können einstellen, dass die PIN beispielsweise bereits bei Inhalten ab 12 oder 6 Jahren eingegeben werden muss. Außerdem kann eine Mail-Bestellbestätigung für 16er- und 18er-Inhalte aktiviert werden. Hauptnutzer bekommen nach Aktivierung dieser Einstellung immer dann eine Info-Mail, wenn ein derartiger Film im Maxdome-Account abgerufen wird. Der Hintergrund: Eltern können mit diesen Informationen entweder mit ihren Kindern über deren Nutzungsverhalten sprechen oder wahlweise die Einstellung anpassen. Der Hauptnutzer kann in den Accountinformationen auch die Nutzungshistorie (welche Inhalte zuletzt angesehen wurden) einsehen. Das Entfernen von Inhalten aus der „Zuletzt gesehen/gekauft“-Historie ist nicht möglich.

Das Angebot von Filmen wird jeweils über das Filmcover bebildert. Während auf dem DVD-Cover per Gesetz das Alterskennzeichen der FSK integriert sein muss, ist dies allerdings bei Maxdome nicht zu sehen. Erst wenn man auf den Button „Details zum Film“ tippt, erscheint die Altersfreigabe. Neben Einzelheiten zum Film wie „Sprache“ und „Subgenre“ wird auch ein Suchparameter „Altersfreigabe“ angeboten, der mit jedem Profil genutzt werden kann.

Bei den „Kids-Accounts“ finden sich nur unbedenkliche Inhalte, die von der Maxdome-Redaktion geprüft und entsprechend der gewählten Altersgrenzen blockiert werden. Hier werden keine entwicklungsbeeinträchtigenden oder jugendgefährdenden Inhalte angeboten. Der Hauptnutzer hat jederzeit die Möglichkeit, nach Wahl des Genres in „Altersfreigaben“ eine Altersgrenze festzulegen. So gelangen nur Kinder- oder Jugendfilme bzw. -serien mit der entsprechenden Altersfreigabe in die Auswahl.
 


Will man den Film kaufen oder ausleihen, können die entsprechenden Freigaben unter dem Button „Details“ nachgelesen werden – bei einer Freigabe durch die FSK erscheint: „FSK 16,“ bei einer FSF-Freigabe durch die Jugendschutzabteilung von Maxdome erscheint: „Freigegeben ab 16 Jahren“. Neben der Altersfreigabe kann auch nach Angeboten gesucht werden, die von der Redaktion daraufhin geprüft wurden, ob sie für Kinder bestimmter Altersstufen geeignet sind.

Bei Maxdome verfügen demnach alle Inhalte über eine Altersfreigabe – entweder die der FSK, wenn vorhanden, oder die der Jugendschutzredaktion. Die entsprechenden Kennzeichen und Hinweise werden bei jedem Film oder jeder Serie eingeblendet. Im Footer der Maxdome-Seite ist „Jugendschutz“ eine gesondert anklickbare Kategorie, über die vertiefende Informationen nachgelesen werden können.
 


iTunes

Die Anmeldung erfolgt problemlos, unabhängig davon, wie alt der Nutzer ist. Wichtig ist nur die Eingabe eines wirksamen Zahlungsmittels, in diesem Testfall die Kreditkarte des Vaters. Altersfreigaben werden angegeben. Dass es sich um FSK-Freigaben handelt, kann man nur annehmen, genannt wird das aber nicht. Die 15-jährige Testperson konnte auch bei einer 18er-Freigabe den Film herunterladen. Es kommt lediglich folgende Warnung: „Dieser Artikel enthält Material, das für Kinder unter 18 Jahren möglicherweise nicht geeignet ist.“ Nach Betätigung des OK-Buttons wird der Ladevorgang abgeschlossen.
 

Fazit

Maxdome ist sicherlich das Angebot mit den umfangreichsten Jugendschutzvorkehrungen. Etwas bedauerlich ist es, dass man das Angebot sehr gut kennen muss, um sie alle zu finden und zu nutzen. Bei iTunes hingegen gibt es kaum ernsthafte Zugangshindernisse für Kinder oder Jugendliche zu Filmen mit einer hohen Jugendfreigabe. Netflix und Amazon Prime Video verfügen zwar über Jugendschutzmaßnahmen, die aber nicht in vollem Umfang den gesetzlichen Bestimmungen genügen. Da man davon ausgehen kann, dass in vielen Familien mehrere Streamingdienste abonniert sind, spricht aus Nutzersicht vieles dafür, so gut es geht ein einheitliches System für alle Streamingdienste zu entwickeln, das sich möglichst einfach erschließt. Das würde auf jeden Fall die Akzeptanz der Streamingdienste sowie des Jugendschutzes in den Familien erhöhen.