Emojis sind überall

Schreiben in digitalen Zeiten

Christa Dürscheid

Dr. Christa Dürscheid ist Professorin für Deutsche Sprache an der Universität Zürich.

Emojis zählen zu den charakteristischen Merkmalen der digitalen Alltagskommunikation. Der Beitrag geht der Frage nach, in welchen Kontexten sie bevorzugt zum Einsatz kommen und welche kommunikativen Funktionen damit verbunden sind. Zum Schluss wird ein Blick auf die Verwendung von Emojis in der Coronakrise geworfen.

Printausgabe tv diskurs: 24. Jg., 3/2020 (Ausgabe 93), S. 62-65

Vollständiger Beitrag als:

Emojis: eine Erfolgsgeschichte

Emojis sind überall – zumindest überall da, wo sich Menschen mit Bekannten, Freunden, in der Familie in Messengerdiensten wie WhatsApp-Chats austauschen, auf Instagram Bilder von ihrem letzten Restaurantbesuch posten oder über Facebook Grüße aus dem Urlaub schicken. Und nicht nur in der privaten Kommunikation, auch in der Geschäftskommunikation und in massenmedialen Kontexten kommen Emojis vor (vgl. Abb. 1): Firmen verzieren ihre Newsletter mit Emojis; Werbeagenturen setzen auf Emojis zur Gestaltung von Anzeigen und Plakaten; T-Shirts, Poster, Spiele, Bücher, Filme werden mit Emojis vermarktet; und auch Zeitungsredaktionen und Sendeanstalten verwenden sie, um ihre Facebook-Auftritte etwas informeller und sympathischer zu gestalten.


Emojis sind auch ein kritisch diskutiertes Thema im öffentlichen Diskurs. In vielen Zeitungsartikeln wird z.B. die Frage gestellt, ob das Schreiben mit Emojis langfristig Auswirkungen auf den Sprachgebrauch haben könnte und wohin es führen mag, wenn im Internet immer häufiger mit Bildern (also z.B. mit Fotos, Stickern, GIFs, Emojis) kommuniziert wird. Schnell richtet sich dann der Blick auf die Jugendlichen. Verlernen diese durch das häufige Schreiben solcher Nachrichten die Fähigkeit, sich korrekt auszudrücken? Eine andere, immer wieder gestellte Frage bezieht sich darauf, ob Emojis langfristig die Basis für eine neue Universalsprache darstellen könnten (vgl. Abb. 2).


Von sprachwissenschaftlicher Seite wird dem meist entgegengehalten, dass Bilder immer nur eine Ergänzung zum Schreiben, nicht aber einen Ersatz darstellen könnten und die Jugendlichen durchaus wüssten, in welchem Kontext welches Schreiben angemessen sei. Emojis würden in der gesprochenen Sprache ohnehin nicht verwendet, und im Geschriebenen könnten sie nie an die Möglichkeiten unserer Alphabetschrift heranreichen (vgl. Dürscheid/Siever 2017). Man versuche nur, den folgenden Satz in Emojis darzustellen: „Gerne wäre ich gestern gekommen, wenn ich Zeit gehabt hätte.“ Weder die grammatischen Informationen in diesem Satzgefüge (z.B. Tempus, Modus) noch die logische Verbindung zwischen den beiden Satzteilen lassen sich mit Emojis zum Ausdruck bringen.
 

Emojis und der Unicode

Das Wort „Emoji“ kommt aus dem Japanischen; es steht für die Kombination „Bild“ (e) und „Zeichen“ (moji), die lautliche Ähnlichkeit mit dem Wort „Emoticon“ ist nur zufällig. In Japan reicht die Geschichte der Emojis bis in das letzte Jahrhundert zurück. Als ihr Erfinder gilt Shigetaka Kurita, der Ende der 1990er-Jahre für den damals größten Mobilfunkanbieter Japans kleine schwarz-weiße Grafiken entwarf, die ergänzend zum Text verwendet werden konnten.

Die Erfolgsgeschichte von Emojis hat also in Japan ihren Anfang genommen. Das erklärt auch, warum die Bedeutung vieler Emojis angelehnt ist an den japanischen Kulturkreis. So wird das Hundehaufen-Emoji in Japan verwendet, wenn man jemandem Glück wünschen möchte; bei uns dient es dazu, etwas Negatives darzustellen oder die Aussage eines anderen kritisch zu kommentieren.

Wer sich genauer über die Bedeutung von Emojis informieren möchte, der sei auf die Website Emojipedia verwiesen. Hier sind alle Emojis in ihrer ursprünglichen Bedeutung aufgelistet. Angemerkt sei auch, dass Jeremy Burge, der dieses Nachschlagewerk im Jahr 2013 aufbaute, auch den Welt-Emoji-Tag ins Leben gerufen hat. Dieser Tag findet jeweils am 17. Juli statt.

Scrollt man am Handy durch die lange Liste von Emojis, dann sieht man, wie viele verschiedene Zeichen diese Liste mittlerweile umfasst. Da gibt es Emojis, die für Gefühlsäußerungen stehen (z.B. lachende oder traurige Gesichter), Bilder von Personen mit verschiedenen Berufen, Bilder von Lebensmitteln, sportlichen Aktivitäten, Tieren, Fahrzeugen und Flaggen und auch symbolische Darstellungen (wie z.B. das Plus- und das Minuszeichen, religiöse Symbole und das Herz-Emoji in verschiedenen Farben).

Dass diese kleinen bunten Bildchen mit nur wenigen Klicks in den Text eingefügt werden können, ist nur deshalb möglich, weil sie im Unicode erfasst sind, d.h. in dem internationalen Zeichensatz, der heute die Basis für alles digitale Schreiben ist. Zwar konnte man auch schon im ASCII-Code Texte mit Smileys vom Typ :-) etc. gestalten (und manche tun dies heute noch), doch nachdem im Jahr 2010 die ersten Emojis in den Unicode aufgenommen worden waren, traten diese rasch in Konkurrenz dazu. Inzwischen sind im Unicode über 3.000 Emojis gelistet, und jedes Jahr kommen neue hinzu – allerdings nur dann, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen.

Ein Antrag zur Aufnahme eines Emojis in den Unicode wird in der Regel nicht erfolgreich sein, wenn damit ein bestimmtes Produkt vermarktet werden soll (z.B. eine Getränkemarke). Dagegen hat ein Antrag eine Chance, der nachweisen kann, dass das Zeichen gesellschaftspolitische Relevanz hat, also z.B. der Diversität in unserer Gesellschaft Rechnung trägt. Nicht zuletzt dieses Kriterium hat dazu geführt, dass es heute im Unicode so viele Emojis gibt, die Menschen mit verschiedenen Hautfarben und in unterschiedlichen Paarkonstellationen darstellen.
 

Jugendliche, WhatsApp und Emojis

Wie die jährlich durchgeführte ARD/ ZDF-Onlinestudie ergab, nutzten in Deutschland im Jahr 2019 rund 90 % der Bevölkerung ab 14 Jahren das Internet. Die Frage stellt sich natürlich, zu welchem Zweck sie es nutzten, denn davon hängt ab, ob der Gebrauch von Emojis hier überhaupt eine Rolle spielt. Wer z.B. einen wissenschaftlichen Aufsatz schreibt und diesen im Internet publiziert oder einen Geschäftsbrief per E-Mail versendet, wird vermutlich keine Emojis verwenden.

Anders ist es, wenn man über WhatsApp oder über andere Kanäle Nachrichten verschickt oder auf Facebook, Instagram oder Twitter etwas postet. Das führt uns zu der Frage, wie populär solche Internetanwendungen sind. Dazu sei auf die JIM-Studie (Jugend, Information, Medien) verwiesen, die in Deutschland seit dem Jahr 1998 Daten zur Mediennutzung von 12- bis 19-Jährigen erhebt. Die letzte Studie stammt aus dem Jahr 2019 und zeigt auf, dass 93 % der befragten Jugendlichen (n = 1.200) mehrmals pro Woche via WhatsApp kommunizieren. Weiter ergab die Umfrage, dass WhatsApp der beliebteste Kommunikationskanal ist, erst danach folgen Instagram, Snapchat und Facebook (in dieser Reihenfolge).

Jugendliche kommunizieren in ihrer Freizeit also bevorzugt über WhatsApp. Doch das bedeutet nicht, dass sie Emojis häufiger verwenden als andere Altersgruppen. Tatsächlich gibt es eine Untersuchung, die in eine andere Richtung weist – allerdings auf sehr schmaler Datenbasis (n = 120). Die Autorinnen zeigen in dieser Studie, dass Personen, die älter als 35 sind, mehr Bildzeichen gebrauchen als Jüngere (vgl. Tschernig/Hertzberg 2015). Sie nennen auch die Gründe, die dies haben mag (z.B. vermuten sie bei den Älteren eine Faszination für neue Technologien), und gehen kurz auf die Frage ein, zu welchem Zweck Emojis überhaupt verwendet werden. Dazu gibt es bereits wissenschaftliche Arbeiten (z.B. Aretz 2019; Beißwenger/Pappert 2019; Dürscheid/Frick 2016; Dürscheid/Siever 2017), die uns als Grundlage für die Ausführungen im nächsten Abschnitt dienen.
 

Was leisten Emojis?

Emojis können dazu dienen, Texte „informeller und sympathischer zu gestalten“. So haben wir es weiter oben formuliert. Dies lässt sich auch anders ausdrücken: Emojis haben eine indexikalische Funktion, sie schreiben dem Text (und damit der Person hinter dem Text) bestimmte Eigenschaften zu. Doch wie lässt sich das nachweisen? Dazu sei auf eine Onlinebefragung aus der Psychologie verwiesen (n = 385).

Im Abstract zu der Studie heißt es: „Der Verfasser eines Textes mit positiv konnotierten Emojis [z.B. Tränen lachend, Anm. d. Red.] wird als deutlich wärmer und sympathischer eingeschätzt; der Verfasser eines Textes ohne Emojis als durchsetzungsstärker; der Verfasser eines Textes mit negativ konnotierten Emojis [z.B. Weinen, Anm. d. Red.] als gereizt und verärgert“ (Aretz 2019, S. 37).

Als Stimuli in dieser Untersuchung wurden nur solche Bildzeichen verwendet, die Emotionen ausdrücken und die Aussagen entsprechend kommentieren sollten. Emojis werden aber auch für andere Zwecke eingesetzt. So können sie dazu dienen, eine Aussage zu illustrieren.

Das ist z.B. der Fall, wenn ergänzend zu einem Text wie „Wir freuen uns auf den Sommer“ Emojis angefügt werden, die man mit dieser Jahreszeit in Verbindung bringt, also z.B. [Sonne], [Surfer] und [Strandschirm].

Weiter können Emojis auch an die Stelle von Wortteilen oder Wörtern gesetzt werden (vgl. „Ich komme mit dem [Fahrrad]“,  „Ich fahre mit dem [Zug]“).

Ob das geschieht, um Tippaufwand einzusparen, oder ob es nur als nette Spielerei angesehen wird, sei dahingestellt. Ohnehin zeigen Korpusstudien, dass dieser Gebrauch relativ selten ist, die meisten Emojis werden in kommentierender und illustrierender Funktion verwendet. Für weitere Informationen dazu sei auf ein Forschungsprojekt zur WhatsApp-Kommunikation verwiesen, dem eine umfangreiche Datensammlung zugrunde liegt (ca. 750.000 Nachrichten).
 

Emojis in der Krise

Die Coronakrise zeigt sich auch in der Emoji-Nutzung. Zum einen wird derzeit ein Emoji besonders häufig verwendet: das Mundschutz-Emoji. Zum anderen gibt es nun auf Facebook ein Emoji, das eine virtuelle Umarmung andeuten soll und das man alternativ zu anderen „Reaktionen“ (z.B. Daumen hoch oder Herz) auswählen kann. Dieses Emoji soll ein Zeichen „gegen die Einsamkeit“ setzen, wie das Facebook-Team schreibt (vgl. Abb. 3).
 


Weiter oben wurde dargelegt, dass jedes Jahr neue Emojis in den Unicode aufgenommen werden. Im Jahr 2021 wird das aber nicht der Fall sein; wegen der Coronakrise hat das Unicode-Konsortium den Release der neuen Emojis verschoben. Ungeachtet dessen lässt sich vermuten, dass die Popularität von Emojis durch die Coronakrise noch zunehmen wird. Denn wenn auch künftig persönliche Begegnungen auf ein Minimum reduziert bleiben müssen, werden sich die Menschen noch häufiger als bisher Textnachrichten schicken (und dabei Emojis verwenden).

Auf der anderen Seite wird wieder mehr miteinander gesprochen (Telefonate, Videokonferenzen) – und das kann dazu führen, dass die Emoji-Nutzung zurückgeht. So gibt es auf Videoplattformen wie Zoom, Teams oder Google Meet zwar auch die Möglichkeit, Nachrichten zu schreiben, in der Regel spricht man aber auf diesen Plattformen – und dazu benutzt man keine Emojis. Doch auch hier gibt es schon neue Entwicklungen. So besteht in Zoom die Möglichkeit, Daumen hoch und Applaus anzuklicken, um etwas zu kommentieren, und in Google Meet stehen bereits sechs Emojis zur Verfügung, die den Zuhörenden solche „real-time reactions“ erlauben (vgl. Abb. 4). Sollten künftig wieder Offlinebesprechungen stattfinden können, fällt diese Option natürlich wieder weg; vermutlich wird niemand in einer Sitzung zur Kommentierung des Gesagten ein Emoji-Schild hochhalten wollen. Oder vielleicht doch?
 

 

 
Literatur:

Aretz, W.: Zeige mir Deine Emojis und ich sage Dir, wie Du bist: Die Nutzung und Wirkung von Emojis in der privaten Kommunikation. In: Journal of Business and Media Psychology, Ausgabe 10, 1/2019, S. 37 – 42. Abrufbar unter: https://journal-bmp.de (letzter Zugriff: 17.06.2020)

Beißwenger, M./Pappert, S.: Handeln mit Emojis. Grundriss einer Linguistik kleiner Bildzeichen in der WhatsApp-Kommunikation. Duisburg/Essen 2019

Dürscheid, C./Frick, K.: Schreiben digital. Wie das Internet unsere Alltagskommunikation verändert. Stuttgart 2016

Dürscheid, C./Siever, C. M.: Jenseits des Alphabets – Kommunikation mit Emojis. In: Zeitschrift für germanistische Linguistik, Ausgabe 45, 2/2017, S. 256 – 285

MPFS (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest) (Hrsg.): JIM-Studie 2019. Jugend, Information, Medien. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger. Stuttgart 2020

Tschernig, K./Hertzberg K. von: Altersgruppenspezifisches Nutzungsverhalten von Bildzeichen bei WhatsApp. In: mediensprache.net, 24.10.2015. Abrufbar unter: http://www.mediensprache.net (letzter Zugriff: 17.06.2020)