Das Ganze noch mal von vorn

Immer mehr alte Serien werden neu aufgelegt. Wer soll sich das ansehen?

Jens Dehn

Jens Dehn arbeitet als freiberuflicher Filmjournalist.

Das A-Team, Magnum oder MacGyver – Serien aus den 1980er-Jahren werden vermehrt neu aufgelegt, sei es als Kinofilme oder wiederum als Serien. Im besten Fall unterhalten die Neuauflagen unabhängig vom Vergleich mit ihren über 30 Jahre alten Originalen, im schlechtesten beschädigen sie deren guten Ruf. Oft jedoch sind die aktuellen Produktionen bloß beliebige Massenware, mit gleichsam austauschbaren Figuren und Handlungen. Warum wiederbelebt man Serien also, wenn man den alten Stoffen doch nichts Neues zu geben hat?

Online seit 15.08.2018: https://mediendiskurs.online/beitrag/das-ganze-noch-mal-von-vorn/

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Wenn in dem Vorschautrailer zu einem bevorstehenden Kinofilm die Einblendung „Der neue Film von Steven Spielberg“ erscheint, dann ist das vor allem als eine Art Gütesiegel für die Zuschauer gedacht: Spielberg steht für eine bestimmte Art von Filmen und für eine bestimmte Qualität. Die Ankündigung „Der neue Film von Steven Spielberg“ sagt gar nichts über den Film selbst aus, aber allein dass Spielberg ihn inszeniert, bürgt für ein bestimmtes Niveau und verheißt die Erfüllung einer bestimmten Erwartung.

Wenn der Name des Regisseurs dem Publikum nicht ganz so geläufig ist wie der von Spielberg, wird er auch gern ersetzt durch eine Formulierung wie „Der neue Film vom Regisseur von …“. Der Gedanke ist der gleiche: Durch die bloße Erwähnung des Vorgängertitels wird die Annahme geweckt, dass der Nachfolger genauso gut wird. Und mehr noch: Durch die hervorgerufene Assoziation wird auch die gleiche Zielgruppe angesprochen.

Im Mai dieses Jahres veröffentlichte der amerikanische Sender CBS den Trailer zu einer neuen Serie, in der eben jene Einblendung erschien, nur dass die Referenz nicht Spielberg hieß: „From the director of Fast and Furious“ sprang es die Zuschauer vom Bildschirm aus an. Und ja, auch hier war die Formulierung als eine Empfehlung im oben beschriebenen Sinn gemeint: Wer Fast and Furious mag, der darf sich auch hier angesprochen fühlen, der wird all das, was er bei dem Actionkrawall im Kino sah, auch hier wiederfinden.
 

Die Serie, die der CBS-Trailer ankündigt, ist Magnum – die neudeutsch „Reboot“ genannte Neuauflage jener Serie, die Anfang der 1980er-Jahre die populärste und beliebteste der Welt war. Natürlich kann von einem einzelnen Trailer nicht auf eine ganze Serie geschlossen werden, die noch gar nicht erschienen ist. CBS hatte sich jedoch offensichtlich dazu entschlossen, in seinem – immerhin vierminütigen – Trailer die komplette Storyline der Pilotepisode offenzulegen. Zusammen mit einigen schnell geschnittenen Actionszenen und dem verheißungsvollen „From the director of Fast and Furious“ ergibt sich somit durchaus ein Bild davon, was die neue Serie sein will – und was nicht.
 

Neu ist nicht gleich besser

Das Original-Magnum startete im Dezember 1980. Der Protagonist Thomas Magnum ist darin ein Vietnamkriegsveteran, der sich als Privatdetektiv auf Hawaii niedergelassen hat. Der Abzug der Amerikaner aus Vietnam lag zu dem Zeitpunkt gerade sieben Jahre zurück, das Trauma dieses verlorenen Krieges war in der amerikanischen Gesellschaft Anfang der 80er‑Jahre noch immer allgegenwärtig. Die Serie ist vor allem in den ersten Staffeln regelmäßig durchzogen von Rückblenden und Dialogen, in denen Magnums Erfahrungen in Vietnam aufgegriffen werden. Bei allem Charme und aller Nonchalance, die Tom Selleck der Figur verleiht, ist Magnum doch immer auch ein gebrochener Held, dessen Kriegserinnerungen sein Handeln bestimmen.
 


Der „neue“ Magnum ist ebenfalls Veteran und hat nun in Afghanistan gedient. Dass die Ernsthaftigkeit des Ur-Magnum in der neuen Version aufrechterhalten wird, darf jedoch bezweifelt werden – zu ungezwungen wird hier von der Schusswaffe Gebrauch gemacht, die Magnum in der Originalserie nur im äußersten Notfall benutzte.

Unabhängig von den Bildern und der Stimmung, die der Trailer transportiert, hat sich auch die amerikanische Gesellschaft verändert: Wenngleich der Einsatz amerikanischer Streitkräfte in Afghanistan noch immer andauert, ist dieser Schauplatz in den US-Medien weniger präsent als seinerzeit Vietnam. Auch wird Afghanistan als für die amerikanische Nation weit weniger traumatisch angesehen, was einerseits an der geringeren Gesamtzahl der gesendeten Soldaten und der Verluste liegt, zum anderen aber auch mit den Bildern zu tun hat, die über die Sender transportiert werden und die in viel stärkerem Maß gefiltert und gesteuert sind, als es in den 70er‑Jahren der Fall war.
 

Modernisierung auf einfallslose Art und Weise

CBS stellte den Magnum-Trailer am 16. Mai auf seine Youtube-Seite. Dabei wurde – wohl in weiser Voraussicht – die Kommentarfunktion unter dem Video deaktiviert. Der Trailer wurde aber noch am selben Tag auf einer weiteren Seite veröffentlicht, woraufhin innerhalb von zwei Monaten über tausend User ihre Kommentare hinterließen, von denen „Was für ein komplettes Desaster“ und „Warum nur, großer Gott?“ noch zu den freundlicheren gehören.

Die harsche Ablehnung in den sozialen Medien teilt sich Magnum damit mit einer weiteren Serie, die über 30 Jahre nach ihrem Original neu aufgelegt wurde: MacGyver. Obwohl MacGyver bei der Premiere 1985 kein übermäßiger Erfolg war, gewann die Serie im Laufe der Zeit eine große Anhängerschaft, die sie bis heute fast kultisch verehrt. Genauer gesagt: Die Fans verehren weniger die Serie als vielmehr den Titelhelden und seine Fähigkeit, sich mit Alltagsgegenständen und einem Schweizer Taschenmesser aus den aussichtslosesten Situationen zu befreien. Zahlreiche popkulturelle Zitate haben dazu beigetragen, dass MacGyvers Popularität mit den Jahren immer größer wurde.
 


MacGyver in die Gegenwart zu transportieren und ihn, statt mit den Gefahren des Kalten Krieges mit den technischen Errungenschaften und Spielereien der modernen Zeit zu konfrontieren, erscheint daher gar nicht so abwegig. Zumal MacGyver im Original ein Pazifist war, der jeglichen Schusswaffengebrauch ablehnte.

Doch statt die Serienfigur mit einer kritischen Haltung gegenüber Themen wie Technikhörigkeit oder die Cowboy-Mentalität der aktuellen US-Regierung agieren zu lassen (immerhin arbeitet der Protagonist im Auftrag einer Regierungsorganisation), wird aus MacGyver ein biederer Actionheld, der gerne die Pistole abfeuert und dessen ursprünglich pfiffiges Improvisationstalent zu ideenloser Prahlerei verkommt.

Anlässlich der Premiere im US-Fernsehen schrieb Jürgen Schmieder in der Süddeutschen Zeitung: „Der neue MacGyver ist nicht mehr klug, er hat einfach nur Glück. […] MacGyver im Jahr 2016 ist ein arroganter Schnösel und Besserwisser.“ Hinzu kommt, dass Lucas Till, der Darsteller der Hauptfigur, ein blasser Schauspieler ist, dem man die Rolle in keinem Moment abnimmt.
 


Wechselwirkung von Kino und Fernsehen

Remakes von Kinofilmen, die wieder fürs Kino neu verfilmt wurden, gibt es im Grunde schon so lange, wie es das Kino gibt. Vor allem in den 1990er- und 2000er‑Jahren wurden sie gern als Beleg für die Ideenlosigkeit Hollywoods und seiner Autoren betrachtet, denen nichts Neues einfiel und die deshalb einfach Altes wieder aufwärmten. Diesen schwarzen Peter haben die Remakes inzwischen an die Fortsetzungen abgetreten: Wenn Hollywood nichts Neues einfällt, wird eben Mission Impossible 6 in Auftrag gegeben oder Fast and Furious 9.

Für Serienstoffe, die eine Wiedergeburt als Kinofilm erfahren haben, gibt es ebenfalls eine Vielzahl an Beispielen, angefangen bei Raumschiff Enterprise über die Addams Family und Auf der Flucht bis eben zu Mission Impossible. Dass Filme zu Serienstoffen ausgeweitet werden, ist dagegen eher ungewöhnlich und nur selten von Erfolg gekrönt. Planet der Affen, In der Hitze der Nacht oder zuletzt Lethal Weapon waren im Kino große Erfolge, können als Serie aber weder qualitativ noch mit der Quote überzeugen. Eine Ausnahme mag hier M*A*S*H darstellen, die als Comedyformat den Erfolg des Kinofilms sogar noch übertraf.

Relativ neu ist dagegen der Trend, alte Serien erneut als Serien wiederzubeleben. Neu sicherlich auch deshalb, weil das Medium Fernsehen erst in den letzten Jahren das Image des kleinen Bruders des Kinos ablegen konnte und Serien heute mitunter ebenso aufwendig und teuer produziert werden wie Kinofilme.

Mit neuen Produktionsmöglichkeiten alte Serien zu modernem Leben zu erwecken, liegt grundsätzlich nahe. Eine der ersten Serien, die diesem Muster folgten, war Hawaii Five-0, die im September 2010 startete und bis heute läuft. Hawaii Five-0 basiert auf der gleichnamigen Krimiserie, die erstmals 1968 bis 1980 im US-Fernsehen lief. Mit zwölf Staffeln war es bis in die 2000er‑Jahre hinein die am längsten laufende Kriminalserie im amerikanischen Fernsehen.

Ein nicht unerheblicher Teil des damaligen Erfolgs der Serie ist zurückzuführen auf die Exotik des Schauplatzes Hawaii, das damals erst seit kurzer Zeit zu den USA gehörte und für viele einen unbekannten Ort darstellte. Verglichen mit anderen Serien jener Zeit hatte Hawaii Five‑0 daher ungleich mehr Außenaufnahmen pro Folge, um Landschaften und Besonderheiten Hawaiis zu zeigen.

Das Herausheben der Lokalität hat sich auch die Neuauflage der Serie bewahrt, wenn auch nicht ganz so ausgeprägt. Dass das neue Hawaii Five‑0 vom Publikum weitgehend akzeptiert wird und mittlerweile seinerseits für eine neunte Staffel verlängert wurde, mag aber auch daran liegen, dass die Serie neben den Storys und Schauplätzen über ein Personal verfügt, das einen weniger ikonischen Status innehat als Magnum oder MacGyver, die allein schon mit ihren Namen für die ganze Serie standen.
 


Die Hauptfiguren im neuen Hawaii Five‑0, Steve McGarrett und Danny Williams, sind Teil eines Teams, die Figurenzeichnung ist – wie schon in der Originalserie – recht schwach und beide Charaktere daher im Grunde austauschbar. Die Protagonisten bieten somit auch weniger Angriffsfläche als in den beiden anderen Serien. Die weiteren Mitglieder der Polizeieinheit in Hawaii Five‑0, Chin Ho Kelly und Kono Kalakaua, waren in der Originalserie mit hawaiianischen Schauspielern besetzt, während im Remake beide Darsteller südkoreanische Wurzeln haben. Aus Kono Kalakaua wurde zudem eine weibliche Polizistin mit dem Vornamen Kona. Davon abgesehen, dass Themen wie Terrorgefahr in der neuen Serie aufgenommen werden, stellen diese Personaländerungen inhaltlich die größten Unterschiede dar.

Die Innovationen der aktuellen Serien-Reboots liegen nicht in ihren Erzählungen und Themen. Sie sind gar nicht innovativ, sie bieten nichts Neues, sie verfügen lediglich über eine schickere Optik und schnellere Schnittfolgen. Inhaltlich sind sie rückwärtsgewandt, teilweise reaktionär.

Wenn sie etwas anders machen, dann in der Besetzung einzelner Figuren: MacGyvers Freund und Mentor Pete Thornton ist nun eine Patricia, Hawaii Five-0-Ermittler Kono ist wie erwähnt eine Kona, und Higgins, die interessanteste und unterhaltsamste Nebenfigur in Magnum, ist in der Neuauflage ebenfalls eine Frau. Das mag dem Zeitgeist geschuldet sein und soll offenkundig zeigen, dass die amerikanischen Sender und Produzenten die gesellschaftlichen Debatten um die Aufwertung bzw. Gleichberechtigung von Frauen aufgegriffen und umgesetzt haben. Doch tatsächlich ist dies nur scheinbar geschehen und die Besetzungsentscheidungen wirken vorgeschoben. Bei MacGyver und Hawaii Five-0 fungieren die Frauen zumeist nur als Stichwortgeber für die männlichen Helden, eine größere Vielfalt an weiblichen Rollen bzw. Rollen für People of Color, wie sie Sonja Hartl zuletzt an dieser Stelle auch für das deutsche Fernsehen eingefordert hat, ist nicht zu erkennen. Als Kona-Darstellerin Grace Park und ihr Kollege Daniel Dae Kim, der in Hawaii Five-0 ihren Kollegen Chin Ho Kelly spielt, die gleiche Gage einforderten wie ihre weißen Kollegen Alex O’Loughlin und Scott Caan, wurden sie vor der achten Staffel einfach ersetzt.
 

Misserfolg ist relativ

Obwohl Hawaii Five-0 in eine neunte Staffel geht und MacGyver mittlerweile – erstaunlicherweise – für eine dritte Staffel verlängert wurde, muss man sich angesichts der Einfallslosigkeit der neuen Serien fragen, was die Produzenten überhaupt zu den Neuauflagen bewogen haben mag. Alle drei hier genannten Serien sind CBS-Produkte. Zum einen kann man also durchaus eine gewisse Firmenpolitik hinter den Reboots erkennen.

Doch auch andere Sender legen alte Serien neu auf oder erzählen diese nach Jahrzehnten weiter, etwa die Kabelsender TNT mit Dallas 2012 bis 2014 (dessen Original ab 1978 bei CBS lief), The CW 2017 mit dem Denver-Clan oder Showtime mit Twin Peaks (beides 2017 und ursprünglich ABC-Serien). Womöglich ist es also Zeichen der kreativen Krise und Einfallslosigkeit der Branche – doch demgegenüber steht auch eine Vielzahl mutiger und erzählerisch innovativer Serien, die das amerikanische Fernsehen in den vergangenen Jahren hervorgebracht hat.

Die Strategie hinter den Neuauflagen ist wohl eher, die Fanbasis der Originalserien mitnehmen zu wollen und dank deren Popularität und der Publicity auch neue Zuschauer zu gewinnen. Wirklich aufgegangen ist dieses Unterfangen bisher aber bei keiner einzigen der Neuauflagen: In der Regel sind die alten Fans von der Modernisierung enttäuscht oder lehnen sie von vornherein ab. Und die junge Generation hat andere Sehgewohnheiten, ist dem linearen Fernsehen gegenüber eher skeptisch eingestellt und hat andere Ansprüche an serielles Erzählen.

Der Trumpf für die Produzenten ist jedoch der Auslandsmarkt. Hier lassen sich gute Geschäfte machen, denn Magnum, MacGyver und Co sind auch in Europa und Asien wohlbekannt. Und auf dem Übersee-Markt ist es noch immer einfacher, bekannte Titel zu verkaufen, als unbekannte neue zu etablieren. Ein Ende der Reboot-Welle ist daher noch nicht in Sicht: Anfang August wurde bekannt, dass ALF zurückkehren soll.